Einen Podcast in vernünftiger Qualität aufnehmen, obwohl die Gesprächspartner überhaupt nicht in einem Raum sitzen? Digitale Technik macht das leichter denn je. Es gibt allerdings auch ein paar Tücken dabei.

Podcasts mit mehreren Gästen, das hieß früher immer: Entweder man setzt alle Leute an einen Tisch und lässt sie dann in eines oder mehrere Mikros sprechen. Oder man nimmt sie per Telefon auf. Oder man lässt den/die Gesprächspartner ihre Parts lokal aufnehmen und sie sich dann zuschicken. Das ist aber nur dann eine Möglichkeit, wenn man lediglich einzelne O-Töne einspielen will. Für ein echtes Gespräch ist das keine echte Option. Es ist nicht empirisch belegbar, wäre aber plausibel: Viele Podcasts sind nie erschienen, weil es keine vernünftige Gelegenheit gab, ein Gespräch aufzuzeichnen. Vor allem dann nicht, wenn die potenziellen Gesprächspartner weit voneinander entfernt leben.


Eine Möglichkeit, die in der letzten Zeit zunehmend mehr Nutzer gefunden hat: Aufnahmen mit Tools, die via „Voice over IP“ funktionieren. Viele davon bieten eine deutlich bessere Qualität wie beispielsweise Skype (vom Telefon ganz zu schweigen). Sie erleichtern zudem gerade Einsteigern die Podcast-Produktion. „Zencastr“ beispielsweise bietet die Option, die aufgenommenen Tonspuren in einer automatischen Postproduktion zusammenzuführen.
VoIP stößt schnell an Grenzen
Das klingt auf den ersten Blick verlockend. In der Praxis haben VoIP-Tools aber Grenzen. Da ist zum einen der Klang. Zugegeben, besser als Telefon oder Skype. Man muss aber nicht mal besonders sensible Ohren haben, um festzustellen: Richtig gut geht anders. Vor allem bei längeren Formaten nervt der blecherne Klang von VoIP gewaltig. Für kurze Takes oder O-Töne kann man das als Notlösung machen. Aber eine dauerhafte Lösung für professionelle Podcasts? Eher nicht.
Zumal noch ein weiteres Manko dazu kommt: Nach meinen Erfahrungen bietet keine der bekannten Lösungen hundertprozentige Verlässlichkeit. Bei Zencastr kam es in diesem Jahr immer wieder zu Ausfällen auf dem Server. Zwei meiner Aufnahmen verschwanden ganz und waren nicht mehr wiederherstellbar. Davon abgesehen: Auch die automatische Postproduktion hat ihre Tücken. Teilweise kam es zu Überlagerungen der Spuren. Ich persönlich produziere zwar ohnehin lieber mit Einzelspuren. Aber gerade für Einsteiger geht ein gewichtiger Vorteil verloren, wenn die Postproduktion nicht funktioniert.
Als Alternative hat sich in letzter Zeit zunehmend „Studiolink“ etabliert. Das läuft nach meinen Erfahrungen stabiler, ist aber eher für Fortgeschrittene geeignet. „Zencastr“ erschließt sich wesentlich schneller. Um „Studiolink“ einzurichten und zu begreifen, muss man schon ein wenig Know-how beim Thema Audioproduktion mitbringen. Die Ergebnisse sind dafür spürbar besser als bei „Zencastr“.
„Zencastr“ eine leider vergebene Chance, „Studiolink“ zu kompliziert, andere mit zu schlechter Qualität – was also machen, wenn man sich seine Podcast-Gäste zuschalten will? Eine Alternative ist ein weitgehend händisch gebautes Konstrukt. Das hat zwar auch seine Tücken, sorgt aber zumeist zumindest für sehr zufriedenstellende Ergebnisse.
Gäste sehen – auch wenn sie nicht da sind
Für dieses Setup braucht man ein paar Komponenten:
- Eine Lösung für Videocalls (Zoom, WebEx, Google Meet etc).
- Eine Möglichkeit für hochwertige lokale Aufnahmen bei den Gesprächspartnern
Über einen Videocall lassen sich der/die Gesprächspartner zuschalten. Das ist nicht einfach ein technisches Gimmick, sondern erleichtert gerade bei Gesprächsformaten die Aufnahme sehr. Schon alleine dadurch, dass die Gesprächsatmosphäre angenehmer und natürlicher wird.
Die Idee ist also vergleichsweise simpel: Man macht einen Videocall und lässt parallel dazu lokale Aufnahmen mitlaufen. Die Aufnahmen fährt man später in seinem Schnittprogramm zusammen und das war es auch schon.
Klingt zu einfach, um wahr zu sein? Ist es auch!
Ein paar wenige Tücken liegen natürlich schon dahinter. Da ist zum einen ein ganz entscheidender Nachteil im Vergleich dazu, dass man gemeinsam an einem Raum sitzt und mit einer Aufnahmequelle arbeitet. Die unterschiedlichen Aufnahmequellen führen im Regelfall dazu, dass man auch unterschiedliche Tonqualität bekommt. Wenn man also nicht gerade sicherstellen kann, dass die anderen Gesprächspartner das exakt gleiche Equipment nutzen, muss man damit leider rechnen.
Ohne Technick-Check geht gar nichts
Was man dagegen tun kann? Idealerweise einen Technikcheck vorab durchführen. Sich Aufnahmen der anderen schicken lassen, anhören, vergleichen. Und mittelfristig dann doch für eine weitgehende Angleichung des Equipments sorgen. Zumindest bei mittelfristig angelegten Projekten ist das eine Alternative.
Schwieriger wird es da schon bei kurzfristig angesetzten Einmal-Projekten. Vor allem dann, wenn Menschen im Spiel sind, die wenig oder keine Erfahrung mit Audioaufnahmen haben. Das kann schon mal daneben gehen.
Auf der anderen Seite: Für meinen Podcast „Digitale Viertelstunde“ habe ich Gesprächspartner aus ganz Deutschland (andere Beispiele: „Satzzeichen“ und „Alles anders“). Für eine 15-Minuten-Aufnahme durch die halbe Republik fahren wäre unsinnig. Besser also eine nicht ganz optimale Aufnahme im Remote-Modus als auf einen spannenden Podcast zu verzichten. Wo man seine Grenze zieht, bleibt jedem selbst überlassen.
Bevor Sie selbst drauf kommen: Der Aufwand, den man mit dieser Methode in der Postproduktion betreiben muss, ist spürbar größer, als wenn man es (wie beispielsweise beim beschriebenen Tool „Zencastr“) mit nur einer Spur zu tun hat. Auf der anderen Seite: Eine von einer Software automatisierte Postproduktion stößt schnell an Grenzen. Will man professionelle Audios produzieren, ist das ohnehin eine eingeschränkt gute Idee.

Mein Setup
RodeCaster Pro: Mischpult zur Aufnahme
Shure SM 7 B: Studiomikro
Beyerdynamic DT 770: Studiokopfhörer, kabelgebunden.
Für Videocalls: Zoom, WebEx, Google Meet.
DAW: Adobe Audition