Digitales Leben, Medienwandel 25. Februar 2019

Paid Content: Bedingt zahlungsbereit

by Christian Jakubetz

Eine neue Studie der Wirtschaftsprüfer von PwC befasst sich mit der Zahlungsbereitschaft der Nutzer für digitalen Journalismus. An sich nichts Aufregendes – würde nicht diese Studie so gut zeigen, wie komplex und unterschiedlich auslegbar Zahlen zum Thema Paid Content sind. Für Optimismus gibt es jedenfalls nur beschränkt Anlass.

Zahlen kann man interpretieren. So oder so. Deshalb darf man erwarten, dass auch die neuen Erkenntnisse aus der aktuellen PwC-Studie zum Thema „Paid Content“ zu unterschiedlichen Interpretationen führen wird.Deshalb hier: der Versuch, beide Seiten der wichtigsten Aspekte zu beleuchten.

Erkenntnis Nummer 1:

Eine Zahl, die sich vergleichsweise leicht interpretieren lässt. Zahlen für Inhalte im Netz, das ist für diese Generation ein gelerntes Verhalten. Auch die Frage danach, ob so ein digitaler Inhalt überhaupt einen „Wert“ hat, weil man ihn nicht „anfassen“ kann, stellt sich dort nicht. Das war vor 15 Jahren noch anders.

Will man es also positiv sehen: Die Grundsatzdebatte darüber, ob digitaler Content einen bezahlungswürdigen Wert hat, muss man nicht mehr führen.Die andere Seite: Dreht man die Zahl, kommt man leicht darauf, dass die große Mehrheit der 18 bis 29-Jährigen (61 Prozent, also fast zwei Drittel) noch nie Geld für digitalen Journalismus ausgegeben haben.

Die andere Seite, Teil 2: Die Fragestellung ist zwar korrekt, verleitet aber auch zu Trugschlüssen. Wenn jemand „schon mal“ Geld für Online-Journalismus ausgegeben hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er dies regelmäßig tut oder in Zukunft tun wird. Bei einer solchen Fragestellung wird vielmehr theoretisch jeder, der schon mal für 30 Cent einen Artikel gekauft hat, als Paid-Content-Kunde deklariert.

Zusammenfassung: durchwachsen. Das Ergebnis deckt sich auch mit Erkenntnissen des Reuters Institute, das erst unlängst herausfand, dass Paid Content ein Minderheiten-Thema mit begrenztem Potenzial bleiben wird.

Dazu passt noch eine weitere Zahl aus der PwC-Studie. Demnach haben 59 Prozent aller Deutschen noch nie Geld für digitalen Journalismus ausgegeben.

Erkenntnis Nummer 2:

Diese Zahl lässt sich kaum in verschiedene Richtungen interpretieren. Man könnte bestenfalls nach Ursachen forschen. Das gibt die Fragestellung von PwC aber nicht her.Tatsächlich markiert diese Zahl eines der Kern-Probleme bei der Debatte über Paid Content: Wenn mehr als jeder Zweite nicht zahlen will, weil er den Content für irrelevant hält, muss man auch über den Content sprechen. Das lässt sich in dieser Allgemeinheit kaum machen. „Irrelevanz“ ist ein weites Feld.

Dazu kommt ein anderes Problem: Die Nutzer geben übereinstimmend ein gewisses Maß an Exklusivität als Zahlungs-Kriterium an. Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass es bei vielen zahlungspflichtigen Geschichten andere Möglichkeiten gibt, kostenlos an den Inhalt zu kommen.

Die PwC-Studie zeigt deutlich, dass „Paid Content“ zu einer reinen Frage der Inhalte geworden ist. Technische Hürden beim Bezahlen beispielsweise werden nur noch von 6 Prozent der Befragten als Hindernis angegeben.

Zusammenfassung: Auch das bestätigt die Reuters-Erkenntnisse, nur aus einer anderen Warte. Digitaler Journalismus wird bisher von einer Mehrheit nicht als so werthaltig empfunden, als dass man dafür bezahlen müsste.

Erkenntnis Nummer 3:


Man kann sich wundern oder auch nicht – tatsächlich aber ist die Bereitschaft hoch, mit der Preisgabe persönlicher Daten kostenlosen Journalismus zu bekommen. Fast jeder Zweite wäre zu diesem Tauschgeschäft bereit.

Falsch verstandene Sparsamkeit? Fehlendes Problembewusstsein beim Thema Datenschutz? Darüber ließe sich debattieren. Ändert nur nichts daran, dass auch diese Zahl für das Thema „Paid Content“ wenig Gutes bedeutet.

Comments 6
  • „Man kann sich wundern oder auch nicht – tatsächlich aber ist die Bereitschaft hoch, mit der Preisgabe persönlicher Daten kostenlosen Journalismus zu bekommen. Fast jeder Zweite wäre zu diesem Tauschgeschäft bereit.“

    Sagen wir so: Alle, die frei auf Inhalte auf werbefinanzierten Webseiten zugreifen, zahlen seit Längerem, spätstens seit 2003 (Start Google Adsense) mit ihren Daten. Nur dass die permanente Ausspähung, auch auf den Seiten seriöser Medien und nicht nur von Google und Facebook, nicht als Bezahlung / Tauschgeschäft wahrgenommen wird.

    Würde den Menschen bewusster, dass sie (ihr Verhalten, ihre Daten) als Rohstoff der Plattformen und der Werbeindustrie verarbeitet werden und welche Werte damit auf Kosten ihrer Selbstbestimmung und Privatsphäre geschöpft werden, sähe es mit der Zahlbereitschaft sicherlich anders aus.

  • Es gibt verschiedene Gründe, nicht auf Paid Content zuzugreifen. Neben der Sorge um die Daten kommt dazu, dass manchmal Zahlungsmodalitäten nicht klar sind oder angebotene Zahlungswege nicht funktionieren. Als recht technikaffiner Nutzer bin auch ich schon mehrfach gescheitert. Mein Versuch bspw. ein Spiegel-Heft online zu erwerben, gelang nicht. Andere Anbieter nennen nur Zahlungswege, zu denen ich keinen Zugang habe, etwa PayPal.

  • Es ist heute leider erforderlich die Inhalte verschiedener Medien zum gleichen Thema sich anzuschauen um sich eine „gewisse“ eigene Meinung zu bilden. Es würde einen Haufen Geld kosten wenn man für alles bezahlen müsste da überwiegend die Inhalte mehr oder weniger gleich sind. Es fehlt so eine Art Lesezirkel bei dem man abonniert ist mit der Möglichkeit mehrere Medien anzuschauen, unabhängig davon ob es SPIEGEL, SZ, TAZ, WOZ, TELEPOLIS etc. ist

  • Mein Problem ist, dass ich prinzipiell bereit bin, für Content zu bezahlen, dass aber das, was ich lesen wollen würde, in der Summe zu teuer wird: TAZ-Unterstützung, Krautreporter, Übermedien, ab und an einen Zeit-Artikel. Nur um mal einen Anfang zu machen. Krautreporter-Mitglied war ich eine ganze Weile, aber das ist mir einerseits zu viel – weil ich eben doch nur ein Viertel der Beiträge lese – andererseits zu wenig, weil ich das o.g. andere Zeug auch noch lesen mag. Bei Übermedien wäre die Quote noch niedriger. Also „besorge“ ich mir die Artikel, die mich interessieren, kostenlos auf anderen Wegen und das Geld, das ich für derlei zur Verfügung habe, kriegt die TAZ. Unbefriedigend. Und ich kenne einige andere, denen es ähnlich geht.

    Gruß
    Michael

  • Man kann die Erkenntnis Nr. 3 aber auch positiv für Journalisten und Verlage interpretieren: Die Befragten haben Vertrauen in die Institution Journalismus, dass hier mit ihren Daten kein willkürlicher Schindluder getrieben wird.
    Insofern sollten Verlage auch offenlegen, wozu sie diese Daten nutzen werden: Zur Rezeptionsforschnung, zum eigenen Marketing oder auch zur Weitergabe/zum Verkauf an Dritte?

  • Es ist doch ein Trugschluss, dass das Tracking und die Nutzung von verfügbaren Daten; z.B. hinsichtlich des spezifischen Konsum- oder Leseverhaltens (Inhalte + Verweildauer) beendet wird, sobald für Content bezahlt wird. Das Ausspionieren geht doch trotzdem weiter.
    Das mag für Menschen, die sich täglich auf Facebook, WhatsApp oder instagram tummeln und sich besinnungslos „nackt machen“ oder „Likes“ verteilen normal und – zumindest in deren Wahrnehmung – akzeptabel sein. Für viele klar und kritisch denkende Menschen ist aber genau diese Unsicherheit der Grund für massives Misstrauen – DSGVO hin oder her.

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