Wie geht es weiter mit Tageszeitungen in Deutschland? Der Chefredakteur der „Augsburger Allgemeinen“, Gregor Peter Schmitz, zeigt sich zuversichtlich. Allerdings: Dass Zeitungen sich wandeln müssen und die Erkenntnis, dass das bisherige Geschäftsmodell nicht ewig trägt, sind für ihn die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wandel.
Im Podcast erklärt er auch, warum nicht jeder Journalist multimedial arbeiten muss, warum Lokaljournalismus manchmal schwieriger als der „große“ Journalismus ist – und warum die Leser seiner Zeitung ziemlich stolz sind, wenn Angela Merkel in die Stadt kommt…
Gleich zu Jahresbeginn kam die Meldung, dass das Westfalen-Blatt in Bielefeld de facto von Aschendorff in Münster übernommen wird. Überraschen Sie solche Meldungen zu deutschen Regionalzeitungen im Jahr 2019 noch?
Überrascht bin ich nicht mehr, aber traurig. Im Vergleich zu anderen Ländern stehen unsere Regionalzeitungen immer noch relativ gut da, man darf die Branche auch nicht völlig kaputt reden. Gerade uns hier im Süden geht es gut – im Vergleich zu anderen Landesteilen. Aber natürlich ist es besorgniserregend, weil ich glaube, dass die Regionalzeitung eine wahnsinnig wichtige Bedeutung hat. In der Region, die Sie beschreiben, wird jetzt möglicherweise niemand mehr in den Gemeinderat gehen oder aufpassen, wie die Baugenehmigungen vergeben werden.
Es gibt wahrscheinlich in der gesamten Branche nicht einen einzigen Menschen, der die Bedeutung von Lokaljournalismus bestreiten würde. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, Lokaljournalismus ist das Stiefkind unserer Branche. Woher kommt diese Diskrepanz? Oder täusche ich mich?

Es wird in der Tat manchmal ein bisschen auf das Lokale runtergeschaut. Ich komme ja aus dem Überregionalen, war lange im Ausland und kann deshalb mit einer gewissen Glaubwürdigkeit sagen, dass Lokaljournalismus, wie er hier bei einer großen Regionalzeitung wie der „Augsburger“ gemacht wird, im Zweifel schwieriger ist. Wir haben das auch bei uns im Blatt thematisiert, als es den Skandal um die Fälschungen beim „Spiegel“ gab. So was ist natürlich im Lokalen im Zweifel viel schwieriger, weil man buchstäblich den Leuten, über die man berichtet, am nächsten Tag wieder in die Augen gucken muss. Ich glaube, das ist ein Journalismus, der im Zweifel sogar aufwendiger oder zumindest akkurater stattfinden muss, als anderer Journalismus.
Die Konzentration auf die großen nationalen Marken ist vorbei. Wir kriegen auch alle Spitzenpolitiker problemlos ins Blatt.
Ich würde aber sagen, dass es trotzdem eine gewisse Trendwende gibt. Gerade die großen Regionalzeitungen können heute in der Bedeutung und Relevanz aus meiner Sicht mit den großen nationalen Medien gut mithalten. Unter anderem auch, weil es ihnen im Vergleich immer noch besser geht. Die Konzentration auf die großen nationalen Marken ist vorbei. Wir kriegen auch alle Spitzenpolitiker problemlos ins Blatt. Insofern ändert sich das ein bisschen in der Branche.
Was ich mich immer frage: Ruft bei Ihnen nicht mal auch der Bürgermeister von Dillingen oder Donauwörth an, weil er lieber einen größeren Lokalteil als eine Veranstaltung oder ein Interview mit Angela Merkel haben will?
Überhaupt nicht. Wir sehen, dass die Leute unheimlich positiv auf unsere „Augsburger Allgemeine Live“-Reihe reagieren. Wir machen ja nicht nur Politiker, wir haben auch den Siemens-Chef dagehabt. Und Ende Januar kommt Anne Will, um mit uns über Talkshows zu reden. Da kriegt man das Feedback, dass sie es gut finden, dass auch mal Leute in die Region kommen, die man im Zweifel nur aus dem Fernsehen kennt. Die Leute reagieren gerade auf diese Art von Journalismus extrem enthusiastisch.
Unsere Leser wollen diesen Mix. Sie wollen natürlich die lokale regionale Berichterstattung. Und da kann es natürlich sein, dass vor Ort die Kolleginnen und Kollegen hören: Mach doch mal mehr hier das, was uns vor Ort bewegt. Natürlich ist das so. Deswegen sparen wir ja auch nicht einfach. Im Gegenteil. Wir haben da nicht dran gerührt. Wir leisten uns noch sehr große und kostspielige Redaktionen. Die sind ja teilweise bis zu 13, 14 Mann stark. Das werden wir auch nicht ändern. Gleichzeitig wollen sie natürlich von einer Marke, die so groß ist wie die „Augsburger“, auch sehen, dass wir ein Blatt sind, mit dem auch eine Frau Merkel spricht. Und da sind Sie stolz drauf.
Wie kann ein zeitgemäßer Lokaljournalismus überhaupt aussehen im Jahr 2019? Steile These vorweg: Ich glaube jetzt einfach mal, dass die Leute im Lokalen nicht die Maßstäbe anlegen, die sie an den Journalismus im überregionalen Teil anlegen würden. Und dass umgekehrt Journalisten sich mit einem Landrat oder einem Bürgermeister, den sie jeden Tag sehen müssen, viel weniger anlegen als mit einer Bundeskanzlerin, die weit weg in Berlin sitzt.
Schwierig, aber das ist ja gerade die Haltung, die wir vorleben wollen, dass wir uns auch da mit der Sache nicht gemein machen im Lokaljournalismus. Natürlich ist das schwieriger und das erfordert mehr Rückgrat und auch mehr Rückendeckung, sowohl von einem Chefredakteur, aber auch von einer Verlegerin. Ich kann es am besten hier für Augsburg selbst beurteilen, weil ich natürlich nicht in allen Regionen so vertraut bin mit der Berichterstattung. Und natürlich haben wir kritisch berichtet, wenn es Fehler gab. Das hindert uns aber nicht daran, auch später wieder hervorzuheben, dass wir insgesamt mit der Amtsführung des Oberbürgermeisters wie der Rest der Stadt relativ zufrieden sind. Und es gibt da natürlich engen Austausch. Nur darf man die Rollen nie verwechseln. Man kann nicht richtig befreundet sein unter Journalisten und Amtsträgern, weil man eine andere Aufgabe hat.
Und da würde ich wirklich die Hand ins Feuer legen, dass wir unseren Leuten den Freiraum dafür einräumen.
Ich möchte nicht zum Journalismus von vor 20 Jahren zurück, der dann doch oft an „Kanzel-Journalismus“ erinnert.
Jetzt kann man ja über Journalismus im Jahr 2019 nicht mehr reden, ohne dass man auf das Thema Digitales kommt. Noch eine steile These: Kann es sein, dass Leser von Tageszeitungen ein älteres konservatives Publikum sind, die ein Blatt genauso wollen wie es ist. Und dass aber gleichzeitig die Distanz zu einem jüngeren Publikum für Tageszeitungen fast nicht mehr zu schließen ist?
Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Aber ich glaube, dass das Digitale unseren Beruf wahnsinnig belebt hat. Ich möchte nicht zum Journalismus von vor 20 Jahren zurück, der dann doch oft an „Kanzel-Journalismus“ erinnert. Jemand verkündet eine Wahrheit und die ist unantastbar. Als ich noch in der Anfangsphase meiner Karriere war, wurde der Leser eher als lästiges Übel angesehen, mit dem man im Zweifel auch nicht auf Augenhöhe kommuniziert hat. Das hat sich radikal geändert. Das ist manchmal anstrengend, aber insgesamt für unseren Beruf sehr wichtig.
Richtig ist, dass es einen Altersunterschied gibt. In der Tat müssen wir uns fragen, wie sehr wir beim jüngeren Publikum noch vorkommen. Da sind wir bisher vom Erfolg verwöhnt. Wir haben ja noch über 300 000 Abonnenten, die voll zahlen. Aber wenn man sich die Altersstruktur anschaut, dann weiß man auch, dass es kein Business ist, was noch in 30 Jahren einwandfrei funktionieren wird.
Wir haben natürlich auch als Branche Fehler gemacht. Wir haben den Leuten zu lange vorgegaukelt, es gebe alles umsonst und werde nur durch Werbung finanziert. Insofern ist es eine echte Herausforderung. Ich glaube aber, dass es noch möglich ist, da umzusteuern. Wir haben beispielsweise vor kurzem mit Paid Content angefangen im Netz. Die ersten Auswertungen zeigen, dass wir wirklich eine andere Klientel erreichen. Das ist für uns sehr ermutigend.
Klar ist, in allen Altersgruppen kann man mit der reinen Nachricht kann nicht mehr punkten. Das ist aber beim 60jährigen genauso wie beim 20jährigen. Natürlich musst du jetzt einen eigenen Dreh nach vorne finden und idealerweise eine eigene Geschichte haben. Dafür brauchen die Leute heute die Zeitung und nicht mehr nur, um irgendwie quasi die Meldungs-Spalte abzubilden.
Müsste man nicht diese Geschichten in der besten aller Welten in verschiedenen Varianten ausspielen? Muss sich eine Redaktion so aufstellen, dass sie die Fragmentierung der Zielgruppen und Märkte mit ganz unterschiedlicher Aufbereitung von Inhalten abfangen kann?
Ehrlicherweise machen das alle Zeitungen schon. Es ist sicher anspruchsvoll, das bei jedem Thema immer in dieser Vielfalt darzubieten. Aber ich würde sagen, dass Teile unseres Online-Auftritts schon anders daherkommen als die klassische Print-Aufmachung und dass wir auch immer wieder Formate ausprobieren, die sich in der Tat an bestimmte Zielgruppen richten, wenn sie etwa die Zukunft des Lokaljournalismus ansprechen. Auch in der lokalen Aufbereitung kannst du Formate finden, die jüngere Leser eher schätzen als ältere. Nehmen wir mal das Beispiel Gastronomie. Das ist etwas, was unter älteren Leuten nicht wahnsinnig gut funktioniert. Aber jüngere Leute treibt das mittlerweile richtig um. Die sehen das auch nicht als Schleichwerbung, sondern sie wollen die Szene abgebildet haben. Da sind wir immer dabei, Formate zu entwickeln. Es kann sogar so weit gehen, wie wir es hier in Augsburg gemacht haben, ein eigenes Portal zu entwickeln, das vielleicht mit der traditionellen Marke gar nichts mehr zu tun hat.
Ich war voriges Jahr im Herbst mit deutschen Chefredakteuren eine Woche im Silicon Valley. Da muss man sich nichts vormachen, dass die noch wahnsinnig an uns interessiert sind an uns.
Können Verlagshäuser mit der Schnelligkeit, der Innovationskraft und der besseren Skalierbarkeit von meistens amerikanischen „Mittelsmännern“ wie Google, Facebook oder Twitter auf Dauer mithalten?
Das ist ein Problem, das wir alle lange unterschätzt haben, das geht ja bis hin zu den Monopolkommissionen. Unterschätzt haben wir vor allem das Thema Skalierbarkeit. Das Problem ist nicht, dass die Leute mit ihren Daten bezahlen. Das Problem ist: Wenn es einem Platzhirsch gibt, gibt es eben keine Nummer zwei mehr. Das ist der Unterschied zu früheren Märkten, dass viele dahin strömen, wo dann alle sind und mit jedem User weiter steigt die Marktmacht dieses Monopolisten. Das ist ein Riesenproblem.
Ich war voriges Jahr im Herbst mit deutschen Chefredakteuren eine Woche im Silicon Valley. Da muss man sich nichts vormachen, dass die noch wahnsinnig an uns interessiert sind an uns. Das ist natürlich nicht so. Facebook ist nicht unser Freund, obwohl sie zwischendurch so taten, als ob sie jetzt besonders die Medien umwerben würden und Inhalte suchen. Das kann man mit einem Algorithmus-Wechsel schnell wieder geändert werden, was ja letztes Jahr auch geschehen ist. Insofern müssen die Medien sich da selber ausgraben.
Das ist aber auch nicht unsere Aufgabe, mit Multimilliarden-Unternehmen zu konkurrieren. Das wird kein Verlag schaffen.
Wo wir mithalten können: mit der Marke und der Glaubwürdigkeit. Und die sind hier für dieses Verlagshaus sensationell. Damit können wir weiter punkten. Aber dass wir uns schwertun, in diesem Innovationstempo mitzuhalten, das analysieren Sie völlig richtig.
Ich glaube, dass wir uns als Branche relativ lange selbst gelähmt haben. Ich habe es hautnah beim Spiegel miterlebt, wo es den Kampf zwischen SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE gab, den ich in seiner Intensität damals schon nicht ganz verstanden habe. Das sind aber Schlachten, die ich als Chefredakteur heute nicht mehr führen muss. Ich muss nirgendwo argumentieren, warum es dieses Internet überhaupt gibt und ob es irgendwann auch mal wieder weggeht. Das ist vorbei.
Auch die Frage nach Paid Content: Da waren wir vor unserem Test etwas skeptisch, ob nicht vielleicht massenhaft verärgerte Leser-Reaktionen kommen. Im Gegenteil sind sogar manche Zuschriften gekommen, die gesagt haben, wir finden das gut. Wir unterstützen das gerne, weil wir Qualitätsjournalismus weiter brauchen.
Wenn man auf die gesamte Branche guckt, da würde ich mich nicht wundern, wenn es in fünf oder zehn Jahren andere Finanzierungsmodelle gibt. Es gibt ja schon erfolgreiche Vorbilder, wo man wirklich Freundeskreise hat, die dann Unterstützung liefern. Da bin ich wäre ich persönlich auch sehr offen. Über so etwas muss man kreativ nachdenken.
Wir müssen trotzdem noch mal über das Thema Geld reden. Eine simple Rechnung sagt mir: Wenn ich beispielsweise eine „Süddeutsche“ und eine „Augsburger Allgemeine“ im Vollabo nehme, komme ich auf Kosten von rund 80 Euro im Monat. Wenn ich die „Washington Post“ und die „New York Times“ im Digital-Abo habe, komme ich auf rund 20 Dollar im Monat. Warum kann das in Deutschland niemand zu diesem Preis?
Das amerikanische Geschäftsmodell war immer anders. Es war immer so, dass die Amerikaner viel stärker auf Werbung vertraut haben und die Verlage speziell die Deutschen viel stärker auf den Vertrieb gesetzt haben. Mittelfristig gesehen war das die richtige Entscheidung der deutschen Verlage. Das ist ja gerade das Problem der amerikanischen Medien gewesen, dass zum Beispiel die ganzen Regionalzeitungen kaputt gegangen sind, weil sie auf Werbung gesetzt haben. Bis dann die Internetanbieter kamen und ihnen die ganze regionale und lokale Werbung weggenommen haben.
Times und Washington Post sind besondere Fälle. Die haben zudem noch den Riesenvorteil, auch noch über Landesgrenzen hinaus Abonnenten gewinnen können. Das Modell funktioniert nach wie vor bei denen: Abos relativ günstig abgeben, dafür dann auf die Werbefinanzierung setzen. Für uns sind diese Möglichkeiten nicht da, in dem Maße über digitale Abo. Dafür ist aber bei uns im Moment Print noch zu lukrativ, um diesen Weg zu gehen.
Um in den USA zu bleiben: Nach meinem ersten Jahr als digitaler Abonnent hat mit die NYT quasi meine persönliche Statistik geschickt. Wen ich besonders gerne lese, wie viel ich was auch welchem Ressort gelesen habe. Daraus habe ich geschlossen, dass die mich und meine Interessen dort anscheinend gut kennen. Kann es umgekehrt sein, dass wir unsere User noch viel zu wenig kennen?
Ja, das kann sein. Teilweise hat das natürlich auch mit einem anderen Datenschutz-Verständnis zu tun. Aber in der Tat ist das eine der großen Herausforderungen, die deutsche Verlage waren lange einfach zu verwöhnt. Und das gilt in gewisser Weise bei uns immer noch. Die Abonnenten sind extrem treu und man geht davon aus, dass sie einem dann schon treu bleiben. Dabei muss man sich eigentlich spätestens nach drei Monaten aktiv um diesen Abonnenten wieder bemühen, damit er eben nicht weg ist.
Dazu gehört unter anderem rauszufinden, was ihn interessiert ihn besonders, ihm Zusatzangebote zu machen, ihn so ein bisschen als Teil einer Familie einzubeziehen. Darauf zielen ja auch diese Angebote, die wir zusätzlich machen.
Es wird alles ein bisschen mühsamer. Aber das ist ja durchaus spannend.
Kann man so ein „Community Building“ überhaupt noch fernab von sozialen Netzwerken machen?
Ja, das glaube ich schon. Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, ob man dafür überhaupt die sozialen Netzwerke braucht. Man muss sich nicht auf einer Facebook-Gruppe treffen. Die Community trifft sich auch in deiner Marke oder trifft sich beim „Augsburger Allgemeine Club“ oder bei der „Augsburger Allgemeine Familie“. Das geht ohne soziale Netzwerke.
Bei den sozialen Netzwerken stellen wir gerade fest, dass Facebook schwierig geworden ist. Die Reichweiten sind im Vergleich zu früher spürbar abgefallen. Ein neuer Trend ist, dass man zu bestimmten Themen Facebook-Gruppen bildet, die dann wiederum von den Mitgliedern kuratiert werden, so dass man sich selbst etwas zurücknimmt. Die Reichweite steht also nicht mehr im Vordergrund, sondern dass man besonders intensive Leute erreicht. Wir haben zum Beispiel auch einen Podcast gestartet. Auch da sind die Abrufzahlen wie bei allen Podcasts überschaubar. Aber die Leute hören dann eben alles durch. Sie hören dann wirklich 15 Minuten zu, was natürlich im Vergleich zu einem Facebook Klick vor ein paar Millisekunden ein wahnsinnig toller Wert ist und eine sehr enge Bindung bedeutet. Es wird alles ein bisschen mühsamer. Aber das ist ja durchaus spannend.
Dann bauen Sie quasi die gute alte „Augsburger Allgemeine“ zum „Content Hub“ um, wie das neudeutsch so schön heißt. Mit einer Spezialisierung in viele kleine digitale Angebote…kann man das so sagen?
Ich würde ich diesen Begriff „Content Hub“ nicht verwenden. Es gibt schon all die Kraft der Dachmarke. Und man darf ja nicht vergessen, wir legen ja auch jeden Tag noch 32 Seiten Print hin. Das ist ja nun mal das Kernprodukt, was jeden Morgen erscheint und was alles andere trägt. Aber ich glaube in der Tat, dass es individualisierter wird in der Ansprache. Das ist ein Trend, der sich durch alle Branchen zieht.
Der Mensch ist nun mal ein Individualist. Die Leute haben unterschiedliche Vorlieben und Interessen. Trotzdem muss es irgendwo zusammengehalten werden. Ich glaube, diese Marken die muss man extrem pflegen. Es würde wahnsinnig lange dauern, das wieder aufzubauen. Aber innerhalb dieser Dachmarke kannst du die Leute auf wahnsinnig viele verschiedene Wege erreichen. Letztlich ist ja auch jede Zeitung ein Angebot, aus dem jeder sich seine Vorlieben herauspicken kann. Aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würden wir uns jetzt total zersplittern und jeder macht sein eigenes kleines Ding. Wir finden uns als Redaktion schon erst einmal im Kernprodukt wieder.
Es reicht eben nicht mehr, einfach im Briefkasten zu landen
Letztes Stichwort: multimediale Journalisten. Können Journalisten das alles überhaupt, Videos drehen, Audios machen, Texte schreiben – und das alles auf einmal und alles gleichermaßen gut?
Nein, es ist ein Grundprinzip, das nicht jeder alles kann und auch nicht jeder alles machen soll. Ich gebe Ihnen ein Beispiel über unsere Berichterstattung von morgen. Wir haben beispielsweise einen sehr gut vernetzten Landtags-Korrespondenten, Uli Bachmeier, der ein Printjournalist alter Schule ist. Das ist auch völlig in Ordnung, denn er schafft dadurch immer wieder Sachen ran, mit denen wir uns wirklich abheben. In diesem Fall ist das die Recherche, dass das Geld im Haushalt nicht reichen würde, um all die Wahlversprechen einzulösen, die gemacht worden sind. Ich würde niemals auf den Gedanken kommen, Uli Bachmeier anzurufen und ihm dann zu sagen: Toll, möchte ich aber heute Abend auch noch auf Instagram Stories und morgen früh machst du gleich irgendwie auf Twitter darauf aufmerksam und dann stellen wir noch ein neues Video dazu. Völliger Quatsch. Da können sich andere Leute drum kümmern die das auch extrem gerne machen und daran Spaß haben.
Aber klar, es reicht eben nicht mehr, einfach im Briefkasten zu landen. Die Idealform, dass man Abonnenten hat, muss man auf vielen verschiedenen Wegen erreichen. Das ist echt kein Hexenwerk und die Leute, die jetzt so tun, als ob Journalismus heute nur noch der stressige Job sei, das mag in manchen Häusern so sein, dann tut es mir leid um die Kollegen. Das kann nicht das Berufsbild sein. In unserer Redaktion ist es auf jeden Fall nicht so. Trotzdem gibt es in der Tat Leute, die freiwillig wirklich sehr gerne Multimedia machen. Da kommt es aus meiner Sicht jetzt auch nicht immer auf die absolute Perfektion an. Wenn beispielsweise jemand unterwegs ist und dreht von einem Einsatz noch ein Video, dann muss das nicht immer in öffentlich-rechtlicher Qualität sein. Das verzeihen die Leute, genauso wie beim Podcast. Die Leute erwarten Authentizität und erwarten Überraschung. Insofern kann das dann auch seine Berechtigung haben.
Ich finde, es gab nie spannendere Zeiten Journalist zu sein als heute, weil es viel mehr Möglichkeiten gibt sich auszudrücken und Resonanz zu finden.
Der Text ist die schriftliche Version des Podcasts, der weiter oben auf der Seite auch als Soundcloud-Datei angefügt ist. Der Text würde aus Gründen der Lesbarkeit gekürzt und redigiert. Den Podcast gibt es u.a. auch bei iTunes und Soundcloud.
Informativ. Leider massenhaft Fehler.