Digitales Leben, Medienwandel 28. November 2018

Medienwandel: Schneller und radikaler denn je

by Christian Jakubetz

Und schon wieder fast ein Jahr vorbei. Zeit zu fragen, was im kommenden und den darauffolgenden Jahren folgen wird. Auch, wenn man mit Prognosen zum Medienwandel vorsichtig sein sollte: Gut möglich, dass wir demnächst drastische Veränderungen bei Medien und Journalismus erleben werden. Größere und grundsätzlichere als je zuvor…

Zukunft Digital: Einges deutet darauf hin, dass sich der Medienwandel in den nächsten Jahren nochmal erheblich beschleunigen wird. (Foto: Markus Spiske on Unsplash)

Der neue Media&Entertainment-Outlook der Unternehmensberatung PwC sieht erst einmal unspektakulär aus. Eine ganze Reihe von Zahlen und Prognosen. Die im Wesentlichen das bestärken, was man ohnehin weiß: Die Digitalisierung geht ungebremst weiter. Bisherige Geschäftsmodelle und Publikationsformen geraten weiter ins Wanken.

Beim genaueren Hinsehen stößt man allerdings auf größere Umwälzungen. Veränderungen, die darauf schließen lassen, dass Medienmacher ihre eigene Branche in ein paar Jahren möglicherweise nicht mehr wiedererkennen.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Konvergenz 3.0

Während in Deutschland und Europa immer noch über so etwas wie ein Leistungsschutzrecht diskutiert wird, zündet die Digitalisierung in der Medienwelt gerade die nächste, womöglich finale Stufe. Schon in den nächsten fünf Jahren werden wir zunehmend erleben, wie alle alles machen können. Die Grenzen zwischen Medien, Inhalten, Technik und Anbieter verschwimmen zunehmend mehr. Medienwandel, wie er schon länger angekündigt wird…

Konvergenz 3.0 nennt das die Unternehmensberatung PwC in ihrem neuen Entertainment & Media Outlook für 2018 bis 2023. Mit einem simplen Beispiel zeigt PwC, was damit gemeint ist: Kaum mehr eine Tageszeitung, die nicht Multimedia macht. Die nicht Videos, Audios, Datenjournalismus oder andere komplett „textferne Formate“ produzieren würde. Und die nicht das machen würde, was sich ganz einfach als „digitaler Journalismus“ bezeichnen ließe. 

Das gilt aber auch umgekehrt. Journalismus heißt, dass alle das gleiche machen können und tendenziell auch machen werden. Das wiederum macht die Debatte um die „Presseähnlichkeit“ von öffentlich-rechtlichen Angeboten so irrelevant, aber das nur am Rande.

Diese Öffnung geht laut PwC in alle Richtungen. Technik-Dienstleister machen plötzlich auch Content, so wie überhaupt nach diesen Erkenntnissen das Thema Inhalte auf allen Ebenen an Bedeutung gewinnen wird. Man könnte sogar so weit gehen, dass man behauptet: Wer keine Geschichte zu erzählen hat, wer keinen Content liefert – der hat in einer volldigitalisierten Multimediawelt ganz schlechte Karten. Heißt aber auch: Der klassische Content-Anbieter aus dem Bereich Journalismus wird sich weiter extrem wandeln müssen, weil mit der Fixierung auf einen Kanal, auf ein Medium kaum ein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Und er wird weiter Konkurrenz bekommen von Seiten, die er bisher gar nicht auf dem Radar hatte, von Unternehmen, die zunächst einmal völlig branchenfremd sind.

Wieso eigentlich Konvergenz 3.0? Weil der Begriff der Konvergenz nichts Neues ist. Im Gegenteil: Die Idee des konvergenten Unternehmens mit den dazugehörigen Inhalten gab es schon vor 20 Jahren. Irgendwann, vor allem zu Zeiten des Crashs in der „New Economy“ verschwand auch diese Idee. Jetzt ist sie wieder da. Möglicherweise mit mehr Wucht denn je.

Medienwandel geht weiter: Digital legt zu, Print verliert

Schon in diesem Jahr sollen die Digital-Erlöse im gesamten Entertainment & Media-Bereich weltweit bei über 50 Prozent liegen. Die Zuwächse im Digitalen gehen weiter – wenig überraschend – zu Lasten von Zeitungen und Zeitschriften. Bis 2022 sollen dort die Umsätze weltweit im einstelligen Prozentbereich zurückgehen. Die klassische Tageszeitung wäre demnach von den Rückgängigen stärker betroffen als Magazine.

Der große Gewinner bei den digitalen Angeboten heißt laut PwC OTT: „Over the Top“, Inhalt also beispielsweise, wie er von Netflix und Amazon angeboten wird. Das gilt für Video und Audio gleichermaßen. Es ist also keine sehr gewagte Prognose, wenn man dem Fernsehen bisheriger Prägung zunehmend schwere Zeiten prophezeit.

Beim Thema Audio zeigt sich allerdings, dass sich auch die Geschäftsmodelle ändern werden. Laut Studie dürfte die Monetarisierung von Podcasts schwierig bleiben, zumindest dann, wenn man die Effizienz des Radios als Maßstab anlegt. 

Vermutung der Studien-Macher: führende Podcast-Produzenten erkunden neue Geschäftsmodelle, indem sie auf proprietäre Plattformen für den Vertrieb setzen. Geschlossene Systeme also, Konvergenz auch bei diesem Thema als mögliche Zukunftsidee. Wenn man sieht, wie beispielsweise Audible oder Spotify exklusive und hochwertige Podcasts produzieren, bekommt man eine Ahnung, wo die Reise hingeht.

Tageszeitungen: radikaler Umbruch in Deutschland

Die verkauften Stückzahlen der Printauflagen der Zeitungen in Deutschland waren in den letzten Jahren, einschließlich 2017, über alle Zeitungsarten hinweg rückläufig. Dieser Trend wird in den nächsten Jahren – gleichwohl abgeschwächt bei den Tageszeitungen – weiter anhalten. Die Vertriebserlöse im Printbereich werden bis 2022 mit einem durchschnittlichen jährlichen Rückgang von 0,9 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro sinken. Die digitalen Vertriebserlöse hingegen werden bis 2022 voraussichtlich um 7,4 Prozent auf 466 Millionen Euro steigen.

Auffällig: Spätestens im Jahr 2022 soll demnach die Wachstumsrate bei den Vertriebserlösen auf null sinken. Gepaart mit vermutlich weiter sinkenden Anzeigenerlösen lässt sich daraus leicht die Vermutung ableiten, dass die Tageszeitungen weiter radikal digitalisieren müssen, wollen sie nicht ihrem eigenen Geschäftsmodell beim Sterben zusehen. Der Anteil der Digital-Erlöse bei der Vermarktung steigt zwar weiterhin an. Er sorgt aber nur dafür, dass die Wachstumsrate nicht noch tiefer in den roten Bereich rutscht. Kompensiert werden die Verluste im Stammgeschäft durch das digitale Business bis auf Weiteres nicht.

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