Digitales Leben, Medienwandel 19. März 2017

Podcast, Streaming, Radio: Der Audio-Boom im Netz

by Christian Jakubetz

Audios im Netz waren mal scheintot – dass es ein Wunder ist, wenn heute auf einmal wieder alle Welt über dieses Thema redet. Audios galten bestenfalls als Nischenmarkt; der Audio-Podcast als eine Zwischenlösung, solange es noch zu mühsam und teuer war, Videos im Netz zu laden. Inzwischen sind Podcasts wieder richtig hip geworden…

Die Statistik zeigt, wie sehr Audios wieder zurückgekommen sind ins Netz. Im Jahr 2016 haben 40 Prozent der User mindestens einmal in der Woche Audios gehört. Das ist gegenüber 2015 ein Anstieg von immerhin sieben Prozentpunkten. Zugegeben, zu Thema „Audio“ gehört viel. Aber auch Podcasts, die beinahe schon ausgestorben geglaubte Gattung, is wieder da. Nach einer ARD-Studie hören inzwischen rund 1,3 Millionen Deutsche mindestens einmal am Tag Podcasts.

 

Auffällig: Es ist vor allem ein jüngeres Publikum, das gerne Podcasts hört. Mit 10 Prozent waren sie im Jahr 2016 anteilig gesehen die Zielgruppe mit der meisten Nutzung. Und noch mehr: Sie sind es, die eigentlich verantwortlich sind dafür, dass wir inzwischen von einem Podcast-Boom sprechen können. Alle anderen Altersgruppen, beginnend bereits bei den 30jährigen, hören deutlich weniger Podcasts. Warum das so ist, darüber ließe sich vermutlich lange spekulieren.

Ebenso auffällig: Das Format Audio als solches hat ein echtes Boom-Jahr hinter sich (und ein Ende ist noch nicht abzusehen). 40 Prozent aller Onliner haben 2016 irgendein Audioformat im Netz genutzt. Auch hier fällt auf, wie sehr es vor allem die 14-29jährigen sind, die den Boom befeuern. In dieser Altersgruppe nutzen über zwei Drittel bereits Audios im Netz.

Wobei natürlich vor allem der Streaming-Trend bei Musik diese Zahlen nochmals erheblich anhebt. Trotzdem: Radio, Musik, Podcasts – eher leise und unauffällig hat sich das Thema Audio komplett ins Netz verlagert. Das wird auch auf das gute, alte Radio Auswirkungen haben. UKW und DAB? Klingt nach einer überkommenen Idee, wenn man sich mühelos und ohne irgendwelche Zusatzgeräte Radio aus der ganzen Welt ins Haus holen kann.

Aber auch auf die Idee eines linearen Programms hat der Audio-Boom seine Auswirkungen. Natürlich sind Radiosender die geborenen Produzenten von Podcasts. Schon alleine deswegen, weil sie so oder so über ein nahezu unbegrenztes Potential an Sendungen verfügen, das sie mit ein paar Handgriffen in Podcasts umwandeln können. De facto gibt es im deutschen Radio kaum mehr Formate, die nicht auch als Podcasts hörbar wären. Es wäre ja auch absurd, würde man dies nicht anbieten. Schließlich verfügen sie per se über derart viel Material, dass man damit nahezu jedes Thema abdecken kann.

Hören ist manchmal das bessere Sehen

Podcast
Hauptsache Mikro: Audios im Netz haben alle Formatgrenzen hinter sich gelassen. (Foto: Jakubetz)

Die fortgeschrittene Technik tut das ihre dazu. Vor allem Bluetooth-Kopfhörer und da wiederum tatsächlich kabellose Modelle sind gegenüber der Zeit der gebrochenen Kabel und aller anderen kabelbedingten Unfälle ein echter Fortschritt. Theoretisch lassen sie sich, auch angesichts des verbesserten Tragekomforts, stundenlang mühelos tragen. Zumal es immer mehr Anwendungen gibt, die auf Audio als wesentlicher Bestandteil setzen. Simples Beispiel: Google Maps. Natürlich kann man die ganze Zeit auf das Handy-Display starren. Man kann aber auch einfach Kopfhörer tragen und sich lotsen lassen.

Das ist, gemessen an der Idee von Datenbrillen, vielleicht sogar die bessere, weil alltagstauglichere Variante. Sich ständig Informationen ins Sichtfeld projizieren zu lassen, kann schlichtweg nervig sein. Ohrstöpsel hingegen, kabellose noch dazu, sind deutlich angenehmer, unauffälliger und auch weniger lästig.

Betrachtet man die Vielzahl der Formate, die es inzwischen als Podcast gibt, dann stellt man vor allem fest, wie vielfältig das Format Audio als solches inzwischen geworden ist. Podcasts können alles sein: Vom zweistündigen Monolog über die klassischen Talking Heads bis hin zu ganzen Serien. Podcasts haben die klassischen Radioformate schon lange hinter sich gelassen. Das einzige, was zählt: Sind sie gut oder nicht?

Verlage sind mit Podcasts noch sehr zögerlich

Obwohl sie so vergleichsweise einfach zu produzieren sind, gehen deutsche Medien außerhalb der Sender noch ziemlich zögerlich mit Podcasts um. Während in den USA der Podcast auch für Zeitungsredaktionen inzwischen zum journalistischem Standard geworden ist, gehören Zeitungs-Podcasts in Deutschland noch eher zur Ausnahme. Die „Bild“ hat ihr „Daily“-Format, bei der „Rheinischen Post“ hat sich die Podcasterei inzwischen ebenfalls etabliert (die haben allerdings mit Daniel Fiene auch einen ausgewiesenen Radio-Mann als Digital-Chef). Ansonsten? Die Zeit mit ihrem „Wissen“, danach wird es dann aber auch schon leerer. Man darf gespannt sein, ob sich das in nächster Zeit ändern wird.

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