Digitales Leben 7. November 2016

XMinutes: Richtiger Inhalt zur richtigen Zeit

by Christian Jakubetz
xminutes
Die App „XMinutes“: Deutscher Vorreiter der Hyperpersonalisierung.

Wichtige Nachrichten? Eine relative Sache. Und weil für jeden etwas anderes „wichtig“ ist und sich diese Einschätzung auch je nach Ort ändern kann, soll es eine neue App geben, die dieser wechselnden Einschätzung gerecht wird. „XMinutes“ soll eine Art Hyperpersonalisierung von Inhalt möglich machen…

Eine App, die für jeden anders ist? Und die nicht mal für einen einzelnen Nutzer jeden Tag das Gleiche ist? Stattdessen eine, die sich ständig verändert und sich dem Nutzer und seiner Umgebung stets aufs Neue anpasst? Das soll gehen und auch noch Sinn machen? Geht nach Marco Maas, einer Art realistischem Digual-Visionär, dann wird das schon im kommenden Jahr Standard. Die von ihm und seinen Datenfreunde erdachte App „XMinutes“ soll das alles können.

Und auch die Frage nach dem Sinn einer solchen App ist für Marco Maas schnell beantwortet – denn da kommen gleich ein paar Dinge zusammen.


Erstens: Es gibt mehr Nachrichten, Reportage, Videos, Tabellen als sie jemals ein Mensch lesen könnte. Natürlich gibt es immer noch ausreichend viele Redaktionen, die für einen Leser oder Zuschauer eine Vorauswahl treffen. Aber die sind naturgemäß eben Vorauswahlen einer Redaktion. Mit etwas Glück können sie die Interessen der Nutzer exakt treffen. Müssen sie aber nicht. Wenn es weniger gut funktioniert, muss sich der Leser/Zuschauer dann eben doch wieder durch eine immer noch ansehnliche Menge von Material arbeiten, bis er gefunden hat, was er braucht. Oder besser gesagt: will.

XMinutes
Marco Maas. (Foto: Jakubetz)

Zweitens: Es gibt immer schlauere Algorithmen. Solche, die in der Lage sind, unser Verhalten, unsere Interessen ziemlich genau zu prognostizieren. Die Zeiten des „dummen“ Netzes, das häufig zwar viel Masse, nicht immer aber individuelle Klasse liefert, gehen in den kommenden Jahren zu Ende.

Das alles soll seinen Niederschlag in der App „XMinutes“ finden. Die Idee dahinter, wie es Mastermind Marco Maas formuliert: Jeder soll zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Nachrichten bekommen.

Das klingt erst einmal ungewöhnlich – ist es aber nicht. Weil es vermutlich für jede Situation, für jeden Moment und auch das jeweilige Endgerät die „richtigen“ Nachrichten gibt. Jemand, der gerade in der U-Bahn unterwegs ist, wird sich möglicherweise für andere Inhalte und Darstellungsformen interessieren als jemand, der zuhause auf der Couch liegt. Und weil eben nicht jeder das gleiche Interesse für alle Ressorts hat.

Content – Kontext- Endgerät

UC_VorschaubildMit dem Thema, wo welche Inhalte wann am besten platziert ist, befasst sich auch das Buch zu dieser Seite: Universalcode 2020 – Content, Kontext, Endgerät. Es ist 2016 beim UVK in Konstanz erschienen und auch dort sowie überall im Buchhandel erhältlich. Ebenso gibt es eine digitale Ausgabe für Amazons Kindle und alle anderen gängigen Formate.

In der Praxis funktioniert das mit einem Algorithmus, der nicht nur die inhaltlichen Interesse des Users kennen soll. Zudem erkennt er, in welcher Lebenslage sich der User gerade befindet. Dazu misst die App natürlich eine ganze Reihe Daten, die aber tatsächlich nur für interne Zwecke genutzt werden. Man werde die Daten weder verkaufen noch sonstwie weitergeben, sagt Marco Maas.

Eigene Inhalte liefert XMinutes nicht

„XMinutes“ erstellt dabei keine eigenen Inhalte. Die kommen stattdessen von mittlerweile über 20 Kooperations-Partnern, die in der ersten Phase mit am Start sind. Darunter sind eine ganze Reihe bekannter Namen, vom „Spiegel“ bis hin zu NDR und BR. Diese erste Betaphase soll Ende des Jahres beginnen, 1000 Testnutzer sind am Anfang mit von der Partie. Auch für die Finanzierung ist gesorgt, zumindest für zwei Jahre: Maas´Startup „Datenfreunde“ hat eine Förderung der Google „Digital News Initiative“ bekommen.

Wie es nach Auslaufen der Förderung weitergeht, ist offen. Marco Maas denkt an ein Flatrate-Modell, weiß aber auch: In den nächsten Monaten wird es die wichtigste Aufgabe sein, erst einmal so viele Mehrwerte zu schaffen, dass potentielle Nutzer tatsächlich überzeugt sind.

Im Valley dreht sich schon länger vieles um die Personalisierung

Ein Hirngespinst, Fantasien eines Technik-Nerds? Keineswegs. Im Silicon Valley drehen sich viele Gedanken schon seit geraumer Zeit darum, wie man die Nachrichtenmassen besser kanalisiert bekommt. Inhalte so zu lenken, dass sie tatsächlich einen Nutzer haben, das wird dauerhaft vermutlich nur mit Hilfe von Algorithmen möglich sein.

Schon jetzt sind Digital-Riesen Facebook und Google tief in die Distribution von Nachrichten« eingebunden, auch wenn sie selbst keine Inhalte herstellen. Trotzdem stehen sie vor der Frage, was sie mit dieser enormen Macht (und ja, auch das: Verantwortung) anfangen wollen. Nur mal so als Zahl: Nach einer Studie des Pew Research Center sehen lesen 44 Prozent der Amerikaner ihre Nachrichten auf Facebook. Und dass rund die Hälfte des Traffics auf deutschen Webseiten von sozialen Netzwerken und Suchmaschinen kommt, ist ebenfalls unstrittig.

Der Journalismus also künftig als etwas, was für jeden einzelnen in jedem Moment etwas anderes sein kann? Letztendlich ja – weil nach Konzepten wie dem von XMinutes verschiedenen Nutzern nicht nur verschiedene Geschichten erzählt würden, sondern auch die gleiche Geschichte auf unterschiedliche Weise.

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