Die Digitalisierung führt den Journalismus gerade in seine nächste Stufe: Bisherige Formate wie Artikel und Beiträge sind nur noch kleine Bestandteile eines Storytellings, das sich zunehmend von Technik treiben lassen muss. Und das sich vor allem mit einem Dreiklang beschäftigt: Welcher Content in welchem Kontext auf welchem Endgerät?

Natürlich sind soziale Netzwerke per se kein Journalismus. Unbestritten aber ist, dass sie inzwischen eine verblüffende Eigendynamik entwickelt haben. Kaum jemand kann – oder will – es sich noch leisten, mit seinen journalistische Angeboten nicht bei Facebook oder Twitter vertreten zu sein. Was kein Wunder ist, schließlich kommt mittlerweile durchschnittlich rund ein Viertel des Traffics einer Seite alleine von Facebook. Rechnet man dann noch die anderen Netzwerke und den Traffic der Suchmaschinen hinzu, kommt man schnell zu der Erkenntnis: Eine eigene Webseite haben ist schon gut und recht, aber nur mit ihr alleine kommt man nicht mehr weit. Als eine Art Landeplatz für alle und jeden wird sie wohl auch weiterhin unverzichtbar sein. Trotzdem: Klar ist, dass Journalismus sich sehr viel kleinteiliger abspielt als noch vor wenigen Jahren. Zumal mittlerweile mit Smartphones und Tablets eine völlig neue Form der Endgeräte zur Nutzung von Inhalten hinzu gekommen ist.
Das hat Konsequenzen, insbesondere natürlich bei neuen Angeboten. Seiten wie „Buzzfeed“ beispielsweise zielen eindeutig auf ein Publikum ab, bei denen die Komponenten soziale Netzwerke und mobile Endgeräte die größte Rolle bei ihrem Medienkonsum spielen. Nun muss es ja nicht gleich das eher verrufene „Clickbaiting“ sein, mit dem man versucht, Menschen zum Lesen der eigenen Angebote zu animieren. Aber klar ist, dass sich mittlerweile auch die Art, Geschichten zu erzählen, massiv verändert hat. Wo noch vor ein paar Jahren schlichte Links auf die eigene Webseite dominiert haben, muss Journalisten heute schon ein bisschen mehr einfallen. Und nicht nur das: In den sozialen Netzwerken wird inzwischen nicht mehr einfach nur geteasert, es entstehen vielmehr neue Storytelling-Ideen, die eindeutig von sozialen Netzwerken und ihren Eigenheiten beeinflusst sind. Visuelle Elemente spielen mittlerweile eindeutig eine große Rolle. Auch Formate wie die von Buzzfeed&Co etablierten „Listicles“ haben ja schließlich eindeutig einen visuellen Schwerpunkt.
Mobil und sozial? Wer wissen will, warum gerade diese Kombination der aktuellen und wohl auch künftigen Mediennutzung eine so große Rolle spielt, der muss nur mal die Entwicklung beim Branchenriesen Facebook anschauen. Inzwischen nämlich ist Facebook nicht nur ein soziales, sondern überwiegend mobil genutztes Netzwerk.
Das Comeback des Newsletters
Artikel? Ja, die gibt es schon noch und wird es auch weiter geben. Aber die Palette, mit denen man im Zeitalter von sozialen, visuellen und mobilen Medien erzählen kann und muss, ist inzwischen enorm groß geworden. Das betrifft im Übrigen nicht nur den geschriebenen Artikel. Auch bei Radio und Fernsehen ahnt man mittlerweile, dass der gute, alte „gebaute“ Beitrag so allmählich zum Auslaufmodell werden könnte. Im Bereich Bewegtbild gibt es ja auch im Netz inzwischen unzählige Optionen; ein eigener Youtube-Kanal ist mittlerweile eher Standard als Avantgarde. Einen 2.30-Beitrag aus dem klassischen TV jedenfalls kann man sich schon bei Youtube nur schwer vorstellen; bei einer Plattform wie „Instagram“ hingegen ginge das gar nicht mehr.
Inzwischen feiert auch ein anderes Ding ein kaum mehr für möglich gehaltenes Comeback: der Newsletter. Früher mal ein eher dröges Werbetool, erlebt er inzwischen eine Renaissance als aufwändig gestaltetes journalistisches Tool. Natürlich steckt dahinter immer auch noch die Idee, dass man irgendwann auf der Webseite landet, eine Zeitung kauft oder eine Sendung einschaltet. Aber was inzwischen in den Newslettern steht, sind zum einen liebevoll gestaltete Texte (gerne mal gleich vom Chefredakteur) oder aber kuratierte Inhalte. Vor allem letzteres spielt mittlerweile eine sehr große Rolle. Niemand ist mehr in der Lage, alles zu erfassen und zu lesen, was es inzwischen im Netz gibt.
Die Bedeutung von Kuration und Algorithmus
Surfen, das war gestern. Oder vorgestern. Surfen machte Sinn, als man noch durch ein paar Webseiten blätterte und sich überraschen ließ, auf was man denn in den Tiefen des Netzes stoßen könnte, Das ist inzwischen nicht mehr wirklich möglich. Wer sich heute einen Überblick verschaffen will, was gerade auf der Welt los ist, kann das in sozialen Netzen machen. Oder mit Newslettern. Oder mit Angeboten wie beispielsweise „Flipboard“, bei denen ein Algorithmus aus den Postings in den sozialen Netzwerken so etwas ähnliches wie eine „Zeitung“ macht.
Apropos Algorithmus: Auch mit einem sperrigen Ding wie diesem müssen sich Journalisten inzwischen auseinandersetzen. Weil der Algorithmus inzwischen beispielsweise bei Facebook eine entscheidende Rolle spielt, was der User überhaupt zu sehen bekommt. Die Frage im Journalismus ist also inzwischen nicht mehr alleine, wie man ein Angebot wie beispielsweise eine Webseite so attraktiv gestaltet, dass der User sich dort wohl fühlt und möglichst lange bleibt. Es geht vielmehr darum, überhaupt noch in die Wahrnehmung des Users zu kommen. Dabei spielen technische Faktoren wie beispielsweise eben ein Algorithmus und eine Suchmaschine eine immer größere Rolle.
Und somit schließt sich der Kreis dann wieder. Zu der Frage, ob nicht gerade aus dem Journalismus konventioneller Art ein völlig neues Geschäft wird. In dem es nicht mehr darum geht, jetzt irgendwie auch im Netz zu publizieren. Sondern darum, ihn völlig neu aufzustellen. Mit neuen Formaten und einer Art friedlicher Co-Existenz zwischen automatisierten, technikgetriebenen Dingen und solider Handarbeit. Verbunden mit dem Wissen darum, wo welche Geschichte wann und wie am besten aufgehoben ist. Woraus dann wieder der Dreiklang resultiert: Content, Kontext, Endgerät. Erst wenn man diese drei Fragen für sich beantwortet hat, kann man letztlich entscheiden, wie eine Geschichte aussehen soll, die man erzählen will. Das ist neu – und erheblich mehr als in früheren Zeiten, als man sich eigentlich nur mit dem Inhalt auseinandersetzen musste.
Wer sich damit beschäftigt und sich am Ende auch irgendwie damit auskennt, dessen Perspektiven dürtfen auch im Zeitalter des digitalen Journalismus gar nicht mal so schlecht sein.
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