Medienwandel 29. März 2015

Die SZ und die Zukunft von Bezahlschranken

by Christian Jakubetz

Die Debatte ist inzwischen schon einige Jahre alt: Funktioniert es, wenn Zeitungen ihre Online-Angebote kostenpflichtig machen? Nachdem die „Süddeutsche“ seit dieser Woche ein Pay-Modell eingeführt hat ein Überblick: Wer macht was, wer plant was, wie gehen welche Bezahlschranken bei deutschen Online-Angeboten?

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Bezahlen für Journalismus im Netz? Die „Süddeutsche Zeitung“ hat jetzt die Bezahlschranke gesenkt, dabei aber auch gleichzeitig ein neues Konzept für ihre Marke vorgelegt. (Foto: Rainer Sturm/pixelio.de)

Lange Zeit galt es als die Ursünde des Online-Journalismus: Als sich die Webseiten deutscher Medienangebote zu etablieren begannen, gab es lange Zeit keine Debatte darum, dass diese Angebote kostenlos sind. Zumal sie vielfach mehr oder weniger Service-Charakter hatten. Gut kann man sich noch an die freundlichen Hinweise erinnern, dass es „mehr zum Thema“ in der gedruckten Zeitung gebe. Das Kalkül war oftmals ganz einfach: Man macht im Netz Appetit auf die Zeitung, die der User dann kauft. Die Webseite als Marketing-Tool also.

Das Kalkül ging nicht auf, wie man mittlerweile weiß. Längst sind Online-Angebote zu eigenen, häufig sehr hochwertigen journalistischen Plattformen geworden. Niemand käme heute mehr auf die Idee, sich eine Zeitung kaufen zu wollen, wenn er sich vollständig über das Weltgeschehen informieren will. Im Gegenteil, die Dinge haben sich gewandelt: Zeitungen werden heute eher aus der Motivation heraus gekauft, dass man sich noch tiefer gehender und analytischer mit den Dingen befassen möchte.

Das aber stellt die Verlage vor ein neues Problem: Wenn absehbar ist, dass die Zeitung ihren Status als nahezu einziger Umsatzbringer verlieren wird, dann müssen andere Wege zur Finanzierung gefunden werden. Immer mehr Blätter in Deutschland haben sich mittlerweile für eine wie auch immer geartete Pay-Lösung entschieden – inzwischen sind es über 100 (eine Überblick der Verlage sowie deren verschiedene Modelle gibt es hier). Seit dem 24. März gehört jetzt auch die „Süddeutsche Zeitung“ dazu. Ihr Modell lässt sich allerdings nicht so einfach in die bisherigen Kategorien packen.Infografik: Über 100 deutsche Zeitungen mit Paid-Content | Statista

Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Zeitung, Magazin und Webseite unter einem Dach

Das Besondere an der SZ-Lösung: Sie lässt nicht einfach eine Bezahlschranke runter und macht das, was bislang kostenlos war, zu einem Pay-Angebot. Sie hat stattdessen die grundlegende Struktur ihrer Seite geändert. Dort finden sich jetzt die Zeitung, das Magazin und die Webseite unter einem Dach. Konkreter gesagt: Wer die Inhalte der gedruckten Zeitung (oder des Magazins) lesen will, der kann das inzwischen machen, ohne die Webadresse verlassen zu müssen (das funktioniert allerdings leider bisher noch nicht mobil, dort müssen die User weiterhin die App für die Zeitungsinhalte nutzen).

Hinter dem SZ-Modell steht allerdings noch eine andere Idee: Nämlich die, dass endgültig die gleiche Gewichtung der Ausspielwege hergestellt ist. Für einen SZ-Leser ist es mitterweile tatsächlich egal, ob er sich als „Zeitungsleser“ oder doch eher als digitaler User sieht. Die Inhalte der Redaktion bekommt er jetzt in exakt der Form, in der er sie haben will.

Was natürlich eines voraussetzt: Wer tatsächlich das vollständige Angebot nutzen will, muss natürlich dafür bezahlen. Sei es durch das bisherige Abo (Abonnenten haben natürlich den Zugang zum kompletten Angebot) oder durch einen Tagespass für 1,99. Ansonsten setzt die SZ auf das sogenannte „Meterei Model“. 10 Texte pro Woche können kostenlos gelesen werden, danach senkt sich die Bezahlschranke.

Die Inhalte der gedruckten Zeitung sind seither bei der SZ auf der Webseite ab 19 Uhr des Vorabends verfügbar – ein Novum bei den deutschen Tageszeitungen bisher.

Die Pläne der anderen

In dieser Woche sorgte ein langer Text von Florian Harms für Aufmerksamkeit. Der Chefredakteur von „Spiegel Online“ schilderte ausführlich, nach welche Prinzipien die Redaktion künftig arbeiten wolle. Der ausgesprochen lang geratene Text las sich ein bisschen wie eine Begründung für demnächst zu bezahlenden Inhalt. Die gab es dann zwar nicht explizit, aber es ist in der Branche kein Geheimnis, dass auch beim „Spiegel“ intensiv darüber nachgedacht wird, wie man die digitalen Inhalte monetisieren kann. Ob man das Ergebnis dieser Überlegungen noch in diesem Jahr sehen wird, gilt als offen.

Das lässt sich auch von den Kollegen bei der FAZ sagen, bei denen just der Mann die digitalen Geschäfte leitet, der beim „Spiegel“ im Streit über die richtige Pair-Content-Strategie gehen musste. Die Einführung von Bezahlinhalten ist in Frankfurt schon seit geraumer Zeit im Gespräch. Ein endgültiges Konzept liegt allerdings noch nicht vor.

Dagegen ist bisher eine regionale Tageszeitung einen radikalen Schritt gegangen: Die „Rhein-Zeitung“ in Koblenz hat eine ganz harte Bezahlschranke gesenkt. So hart, dass es bei ihr gar nicht mehr ohne Bezahlung gibt. Das hat zwar zu den erwarteten Einbussen bei den Nutzerzahlen geführt, dennoch ist man in Koblenz von der Richtigkeit der Strategie weiter überzeugt.

Offen ist allerdings zum jetzigen Zeitpunkt immer noch, wie diese ganze Entwicklung einzuschätzen ist. Nach diversen Schätzungen gibt momentan ein Drittel der Deutschen Geld für Medien-Inhalte im Netz aus. Das kann man für viel halten, aber eben auch darauf verweisen, dass es zwei Drittel (noch) nicht tun. Und auch bei de Verlagen selbst gibt es ja, gemessen an über 300 Tageszeitungen in Deutschland, immer noch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Bezahlinhalte ein in jeder Hinsicht lohnendes Modell sind.

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