Ein Netzwerk nicht nur für digitale Journalisten: Eine neue Plattform will die Möglichkeiten geben, sich und seine Arbeit nicht einfach nur in ein Schaufenster zu stellen. Stattdessen soll ein Netzwerk entstehen, von dem beide profitieren. Sowohl Journalisten als auch solche, die auf der Suche nach ersteren sind…

Müssen Journalisten zunehmend mehr zur Marke werden? Sich selbst vermarkten und dabei auch ein Stück weit zum Unternehmer werden? „Daran führt kaum ein Weg vorbei“, sagt Marcus von Jordan. Was nicht wirklich überraschend ist – schließlich ist er Geschäftsführer eines Projekts, das genau diesem Trend gerecht werden soll. „Torial“ ist ein Netzwerk für Journalisten, das mehr können soll als reines Networking und eine virtuelle Visitenkarte zu sein.
Es hat sich viel geändert für Journalisten in den letzten Jahren. Nicht nur in der Arbeitsweise und in ihrem Selbstverständnis. Sondern auch in der Art, wie sie sich inzwischen selbst vermarkten und präsentieren (müssen). Tatsächlich hat die Selbstdarstellung erheblich an Bedeutung gewonnen, seit zumindest theoretisch jeder sein eigener Publizist sein kann und nicht auf die Infrastruktur eines größeren Unternehmens angewiesen ist. „Torial“ trägt genau dieser Tendenz Rechnung und ist ein Netzwerk, das mehr kann als nur ein paar lustige Bildchen zu posten.
Torial will anderes: nämlich, dass „Journalisten füreinander sichtbar werden“. Und dass sie miteinander Netzwerken können – auf Basis „von Kenntnissen und nicht nur auf Basis von Bekanntschaften“. Torial ist deshalb in erster Linie darauf ausgelegt, berufliche Fähigkeiten und Expertisen zu präsentieren. Privates, Lustiges, Kurioses: Fehlanzeige.
Das muss natürlich auch umgekehrt funktionieren – ein Netzwerk, in dem man ausschließlich seine Fähigkeiten auf dem Silbertablett zeigen kann, macht nur eingeschränkt Sinn. Deshalb kann man bei Torial auch gezielt nach Autoren und ihren Themenbereichen suchen. Das muss noch nicht bedeuten, dass am nächsten Tag die „Süddeutsche“ anruft und einen Arbeitsvertrag aus der Tasche zieht. Aber immer öfter kommt es vor, so Marcus von Jordan, dass Aufträge für Freiberufler über diese Plattform vergeben und entsprechende Kontakte geknüpft werden.
Eine kostenlose Plattform
Facebook, Twitter, Google, Xing, LinkedIn: Netzwerke und Möglichkeiten, sich selbst zu präsentieren, gibt es bereits in rauen Mengen. Warum also noch eines? „Weil bei Facebook jeder ist“, verweist Marcus von Jordan auf den Umstand, der Fluch und Segen des Netzwerk-Riesen zugleich ist. Oder anders gesagt: Quantität ist eben noch nicht Qualität. Natürlich erreicht man theoretisch über ein Netz wie Facebook eine deutlich höhere Zahl von Kontakten. Ob die allerdings aus journalistischer Sicht alle relevant sind und ob man im gigantischen Newsstream von Facebook überhaupt noch wahrgenommen wird, ist wieder eine andere Frage.
Im Gegensatz zu anderen Plattformen, die nur einen Basis-Account anbieten, ist Torial für seine Nutzer komplett kostenlos – und soll es auch bleiben. Das ist möglich, weil das Netzwerk stiftungsfinanziert ist und deshalb kein Geld verdienen muss.
Das Problem mit dem Vertrieb und den Erlösen
Machen neue Netzwerke und die Arbeit als Freiberufler oder überhaupt als Journalist noch viel Sinn, wenn die ganze Branche offenbar allmählich in ihren Grundfesten erschüttert ist? „Journalismus ist nicht in der Krise“, glaubt Marcus von Jordan. Natürlich übersieht auch er nicht, dass es Entlassungen gab und gibt. Dass freie Journalisten immer öfter nur noch schwer von ihrer Arbeit eben können. Dass Redaktionen geschlossen und Titel aufgegeben werden. Trotzdem: Das sei keine inhaltliche Krise, glaubt der Torial-Mann. Sondern eine des Vertriebs und der Probleme, aus den nach wie vor guten Inhalten auch eine ökonomisch tragfähige Basis zu machen.
Was die Anforderungen an gute Journalisten angeht, zeigt sich Marcus von Jordan ganz traditionell. Keine Rede von den Dingen, die in den letzten Jahren diskutiert wurden. Stattdessen: Breites Allgemeinwissen, Neugierde, Mut, gute Recherche – all jene Tugenden, die man eigentlich als selbstverständlich betrachten könnte, über die aber in den Jahren der Digitalisierung immer weniger gesprochen wurde.