Medienwandel 18. November 2013

BR: Ein Tanker will zum Schnellboot werden

by Christian Jakubetz

Von Tri- und Transmedialität ist inzwischen viel die Rede – und wirklich neu ist die Diskussion zumindest theoretisch nicht mehr. Vergleichsweise neu und immer noch sehr spannend ist dagegen eine andere Frage: Wie setzt man das, was man theoretisch jetzt wenigstens so halbwegs weiß, in die Praxis um? Wie kann man sicherstellen, dass Journalisten handwerklich überhaupt in der Lage sind, für so viele Kanäle zu arbeiten und das alles womöglich noch in einem Aufwasch? Und welche Strukturen muss man schaffen, dass Redaktionen diese ganzen neue Ideen umsetzen können, sowohl technisch als auch organisatorisch?

 

Künftig strikt trimedial: Die Zeiten, in denen Journalisten des BR ausschließlich für einen Kanal gearbeitet haben, gehen endgültig vorbei.
Künftig strikt trimedial: Die Zeiten, in denen Journalisten des BR ausschließlich für einen Kanal gearbeitet haben, gehen endgültig vorbei. (Foto: Jakubetz)

Der Bayerische Rundfunk in München ist, wie vermutlich nahezu alle öffentlich-rechtlichen Sender, ein besonders interessantes Anschauungsobjekt für diese Fragen. Mehrere tausend Mitarbeiter, Fernsehen, Radio und Online im Angebot, insgesamt zwei TV-Sender, fünf klassische Radiowellen und mit „Puls“ zudem ein Projekt, das in seiner Ausrichtung dem Thema „trimediales Arbeiten“ schon sehr, sehr nahe kommt.

Dabei ist der status quo des BR schnell erklärt: Auch wenn er immer wieder betont, sich im Aufbruch zu befinden, an den allermeisten Stellen herrscht dort noch das klassische, strikt von einander getrennte Arbeiten vor. Die TV-Leute machen TV; die Radioleute Radio und die Onliner machen diese Sache mit dem Internet. Das soll sich bis allerspätestens zum Jahr 2022 geändert haben. Dann nämlich bezieht der BR ein neues Gebäude, in dem solche Strukturen endgültig der Vergangenheit angehören. Dort soll es dann keine Rolle mehr spielen, aus welcher Branche man ursprünglich stammt – der BR-Journalist der Zukunft arbeitet dann trimedial, über alle Kanäle hinweg.

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Johannes Grotzky. (Foto: BR)

Ein erster Schritt dazu ist vergangene Woche gemacht worden: Der BR genehmigte sich selbst eine sogenannte „Informationsdirektion“. Das klingt zunächst einmal nur nach einer kosmetischen Korrektur, einer Namensänderung – beinhaltet aber in der Konsequenz weitaus mehr: Mit der damit einhergehenden Auflösung eigener Hörfunk- und Fernsehdirektionen wird auch die Trennung zwischen den Gattungen weitgehend aufgehoben.

Was bedeutet das für Journalisten des BR? Zunächst einmal vor allem eines: Sie arbeiten künftig für alle Ausspielkanäle des BR. Das ist für neuere und jüngere Kollegen kein großes Problem mehr, wie Johannes Grotzky, Hörfunkdirektor beim BR, glaubt. Sie würden schon heute in allen Kanälen ausgebildet und würden das Handwerk dementsprechend beherrschen. Nach Grotzkys Ansicht geht es zudem nicht zwingend nur um das Handwerk: „Wichtig ist, dass sie das trimediale Denken beherrschen.“ Weniger entscheidend sei, dass jeder alles perfekt könne.

Trimediales Denken – für Grotzky bedeutet das: Jeder muss für die anderen mitdenken und nicht nur seinen angestammten Kanal beliefern. Entstehen soll eine Art „hausinterne Nachrichtenagentur“, in der Geschichten und Nachrichten gesammelt und dann auf die einzelnen Sender und Onlineangebote verteilt werden. Jeder, der aus oder über Bayern berichtet, soll künftig verpflichtet sein, zunächst eine Meldung für diese interne Agentur abzusetzen, so dass dann jede Redaktion wiederum Zugriff darauf hat.

Making of

Technischer Hinweis: Das Audiointerview mit Johannes Grotzky wurde mobil bei der Fachtagung Crossmedia des Mediencampus Bayern in Bamberg aufgenommen.  Verwendetes Equipment: ein iphone 5 und die App „Hindenburg“.

Geht das mal eben so? „Nicht auf Knopfdruck“, räumt Grotzky ein. Der BR sei bei seinem Umbau allerdings den Weg gegangen, dass die Änderungen und Reformen in zahlreichen Arbeitsgruppen von den Mitarbeitern selbst erarbeitet wurden.

Das lineare Programm in TV und Radio sieht der Noch-Hörfunkdiektor (scheidet 2014 aus) trotz all dieser Veränderungen noch nicht am Ende angekommen. Bei allen Veränderungen blieben diese Programme immer noch, speziell bei Live-Ereignisse, die Kristallisationspunkte einer Gesellschaft.  Was allerdings die Nutzung von Inhalten angeht, die nicht an eine spezielle Uhrzeit gekoppelt sind, räumt auch der BR-Mann ein, dass lineare Programme in den Hintergrund rücken werden.

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