Es geht um den Inhalt – was so banal klingt, ist für Markus Hündgen momentan eines der wichtigsten Themen, wenn es um Webvideos geht. Der profilierte (Web-)Videomacher Hündgen glaubt ansonsten sehr daran, dass es langsam an der Zeit ist, die beiden „Bewegtbilduniversen“ miteinander zu verbinden. Und außerdem im „Universalcode“-Interview: Webvideos, die man unbedingt gesehen haben muss.

„Wir müssen reden“ – hast du über einen deiner letzten Blogbeiträge geschrieben und dich dabei an die Webvideomacher gewendet. Geschrieben hast du sinngemäß, dass es auch im Netz an Videos bestimmte Qualitätsansprüche gibt. Warum war das aus deiner Sicht nötig?
Weil bei aller berechtigter Euphorie um das Thema Webvideo derzeit zu häufig die falschen Fragen gestellt werden: Auf welchen Kanälen distribuiere ich Videos oder wie verdiene ich Geld damit? Dabei geht es immer nur um guten Inhalt. So simpel das auch klingen mag. Die größte Seeding-Kampagne und der fetteste SEO-Etat machen noch kein gutes Video. Und da Video Inhalt über Ton und Bild vermittelt wird, sollten wir das nicht vergessen.
Ist denn in den letzten Jahren nichts oder nur wenig besser geworden?
Im Gegenteil: Abseits der üblichen Medienproduzenten hat sich ein alternatives Bewegtbilduniversum etabliert. Nicht nur auf YouTube oder Vimeo, sondern auch in Teilen bei den Fernsehsendern. Nur ist es jetzt an der Zeit, beide Universen zu verbinden. Leider ist das Sternentor noch zu eng und schmal.
Videos, die man gesehen haben sollte
Welche drei Videos im Netz sollte man eigentlich unbedingt gesehen haben? Markus Hündgen tut sich angesichts der ungemeinen Menge von guten Videos mit der Beantwortung dieser Frage natürlich schwer, gibt aber dann gerne seine Tipps – ergänzt sogar um ein viertes „Bonusvideo“.
1. http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/04/04/AR2007040401721.html
Eine zurecht preisgekrönte Reportage, die bereits 2007 Bewegtbild als visualisierendes Element genutzt hat. Ohne viel Schnicknack wird eine Überwachungskamera simuliert und der Text gewinnt an Farbe und Emotion. Leider wird diese Art des Webvideos viel zu wenig gemacht.2. http://youtu.be/hYf6av21x5c
Wie bitte? Wissensvermittlung auf YouTube? Das funktioniert. Und sogar so gut, dass Michael Stevens mit seinen Videos bei Vsauce rund um Naturwissenschaften jede Woche Millionenabrufe einfährt.3. http://www.nytimes.com/interactive/2011/12/06/magazine/13villains.html
Da schnalzt jede Feuilleton-Redaktion mit der Zunge. Hollywood-Größen spielen in einer Videogalerie Archetypen von Filmbösewichten für das New York Times Magazine. Belohnung: Eine Emmy-Nominierung im Bereich „News & Documentary“.Bonus:
http://youtu.be/qOZb7KeJUQ8
Musikerziehung mit Spaß: Das New Yorker Musikerkollektiv cdza – alles Musikhochschulabsolventen – zeigt, wie Musikerziehung im Popcorn-Modus funktioniert.
Ihr verleiht mit der EWVA den Deutschen Webvideopreis. Welche Trends hast du in den letzten beiden ausgemacht?
Die Webvideo-Branche, formerly known as „Szene“ hat sich rasend schnell professionalisiert. Das schlägt sich auf die Videos nieder. Nicht immer zum Vorteil, aber viele Videomacher experimentieren mit den neuen, auch finanziellen Möglichkeiten, was das Wichtigste ist. Zum anderen hat sich, bei aller Hinwendung zu mehr Struktur und Monetarisierung, eine Sache durchgesetzt: Die simpelste Idee ist meistens die beste. Siehe Dauerbrenner wie Unboxing-, Screencast- oder Let’sPlay-Videos. Ansonsten sind Trends derzeit schwer zu fassen: Alle paar Monate ploppt etwas Neues auf. Auch ein Grund, warum wir mit der EWVA dieses Trendscouting mit Partnern intensivieren werden.
Täuscht der Eindruck oder tun sich etablierte Journalisten und Medien schwerer als die Quereinsteiger und Semiprofis mit dem gar nicht so neuen Medium Webvideo?
Zum einen muss ich Journalisten direkt einen Weisheitszahn ziehen: Sie stellen mit Abstand die Minderheit in der Webvideo-Branche dar. Und sie sind selbst schuld. Zu zaghaft, schreckhaft und elitär. Das was vor zwei Jahren Twitter war („Bäh!“) ist heute Webvideo. Ich warte immer noch darauf, dass mir jemand ein gutes und erfolgreiches journalistisches Webvideo-Format präsentiert. Dabei glaube ich fest daran, dass es möglich ist – wenn mehr experimentiert wird. Bevor es aber soweit ist, brauchen wir mehr Grundlagenschulung. Denn nur wer die Regeln kennt, kann sie brechen.