Medienwandel 6. Juli 2012

Zeitung in Zahlen: Abschied vom Papier – Zukunft Tablet?

by Christian Jakubetz

Über kaum ein Thema kann derart leidenschaftlich gestritten werden wie über die Zukunft von bedrucktem Papier. Insbesondere, wenn es um die Zukunft von Tageszeitungen geht, dann gehen die Meinungen enorm weit auseinander. Zeit also, einen Blick auf ein paar Fakten zu werfen, die unbestechlich sind: Zahlen, nichts als Zahlen. Eines kristallisiert sich dabei aber heraus: Die Plattformen der Zukunft sind nicht gedruckt.

Ende für das Papier, stattdessen alles digital und mobil: Sieht so schon bald die Zukunft der Tageszeitung aus? Zumindest die Entwicklungen der letzten Jahre deuten darauf hin.

Wenn man die Diskussionen der letzten Jahre so hört, dann scheint eines unerschütterlich festzustehen: Das Internet ist schuld, das Netz macht die gedruckte Zeitung kaputt. Dabei sagen die Zahlen zumindest teilweise anderes. Demnach haben die Auflagenverluste der deutschen Tageszeitungen schon zu einer Zeit begonnen, als man von Internet noch nicht einmal in Insiderkreisen gesprochen hat. Und wenn man zynisch sein möchte, dann müsste man sagen: 2011 war der 20. Jahrestag der Auflagenverluste. So lange nämlich geht es schon bei den Tageszeitungen mit der Auflage nach unten. Nie sonderlich dramatisch, ohne irgendwelche Ausreißer nach unten. Aber eben auch ohne eine einzige Ausnahme: Seit 1991 gab es kein einziges Jahr, in dem die Tageszeitungen nicht an Auflage verloren hätten. Man könnte übrigens mit dieser Entwicklung auch noch weiter nach hinten gehen, weil schon in den 80er Jahren der leichte Auflagenschwund begann. Dass es Ende der 80er/Anfang der 90 er Jahre dann nochnal nach oben ging, hat einen leicht zu erklärenden Grund: Mit der deutschen Einheit gewannen die Zeitungen auf einmal Millionen potenzieller Leser hinzu. Ein Zwischenhoch, das allerdings nicht lange anhielt.

 

Tatsächlich gibt es momentan auch keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Lage der Tageszeitungen in absehbarer Zeit bessert, zumindest nicht, wenn man die Auflagen zum Maßstab nimmt. Prognosen gehen davon aus, dass in den kommenden drei Jahren die Gesamtauflage der Blätter in Deutschland auf rund 17,3 Millionen Exemplare zurückgehen wird. Das wäre im Vergleich zur aktuellen Zahl ein Schwund von weiteren 1,3 Millionen Stück. Was übrigens nicht wirklich überraschend wäre und vermutlich auch nicht schwer zu prognostizieren. Denn eines ist an der Aufagenentwicklung tatsächlich erstaunlich: ihre Konstanz. Jahr für Jahr verlieren Tageszeitungen in Deutschland rund eine halbe Million an Auflage. Theoretisch könnte man sich also sogar darüber streiten, ob man nicht einen Zeitpunkt ausrechnen könnte, an dem die letzte gedruckte Zeitung erscheint, aber das ist natürlich Hypothese. Gemacht wird es dennoch.

Es ist erst wenige Jahre her, da gab es in dem einen oder anderen Verlag eine andere Überlegung: Wenn man denn die Leser schon nicht mehr auf gedrucktem Papier erreichen kann und sich das Lesen mehr und mehr auf den Computer konzentriert, soll man dann nicht einfach die Zeitung maßstabsgetreu auf einen Bildschirm holen? Der Hoffnungsträger nannte sich E-Paper – und wenn dieser Satz hier in der Vergangenheitsform steht, dann deswegen, weil man inzwischen weiß, dass diese Hoffnung trügerisch war. Tatsächlich spielen E-Paper bei der Auflage von Tageszeitungen keine wirklich signifikante Rolle. Selbst Auflagenkönig „Bild“ bringt es gerade mal auf rund 23.000 verkaufte elektronische Zeitungen. Und ein überregionales Blatt wie die FAZ bleibt sogar unter der Marke von 10.000 hängen.

Die gedruckte Zeitung im Sinkflug und die elektronische Ausgabe auch mit sehr überschaubarem Erfolg: Was läge da näher, als die Zeitung auf die mutmaßlichen Plattformen der Zukunft zu übertragen, die vermutlich digital und mobil sein werden? Eine Idee, die von den Lesern durchaus goutiert wird. Fast die Hälfte der Befragten (Hinweis: Die Erhebung wurde unter „Führungskräften“ durchgeführt) hielten das für eine Alternative. Eine, für die sie sogar bezahlen würden. Diese Zahlungsbereitschaft ist allerdings an eine klare Bedingung geknüpft: Die digitale Ausgabe müsse spürbar billiger sein als die gedruckte Zeitung. Auch digitale Zusatzinhalte beseitigen beim Nutzer also sehr offensichtlich nicht das Gefühl, dass die Produktionskosten für eine digitale Zeitung niedriger sind und diese niedrigeren Produktionskisten an die Nutzer weitergegeben werden müssen. Immerhin: Es ist nur eine Minderheit von rund 15 Prozent, die einen Kauf einer digitalen Ausgabe rundheraus ablehnt mit der Begründung, ihm sei die gedruckte Zeitung lieber.

Dafür, dass man Nutzer nicht erst noch lange an das Lesen von Zeitungen auf dem iPad gewöhnen muss, spricht auch noch eine andere Zahl: Knapp 50 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, das Lesen auf dem Tablet mache Spaß. Zumindest die Argumentation, die es früher gab – Lesen auf Bildschirmen sei zu anstrengend, unschön, man benötige die Haptik von Papier für ein vollwertiges Leseerlebnis – scheint also zunehmend weniger zu greifen. Zumindest auf dem iPad haben sich Apps von Zeitschriften/Zeitungen auch durchgesetzt. Laut einer VDZ-Erhebung haben iPad-Nutzer mehrheitlich bis zu 5 solcher Apps installiert. Nur rund 5 Prozent geben an, noch nie eine digitale Zeitschrift installiert gehabt zu haben.

Comments 2
  • In meinem Bewerbungsgespräch als Volontär habe ich noch gesagt, dass ich an das Medium Tageszeitung glaube. Würde ich heute wohl nicht mehr ohne die Einschränkung sagen, dass ich allerdings nicht mehr ans Papier glaube. Was den Punkt Kosten betrifft, zeigen die genannten Aussagen mal wieder, dass den Menschen ein grundsätzliches Bewusstsein dafür fehlt, was es kostet, eine Geschichte zu recherchieren und aufzuschreiben. Ein von den Verlegern hausgemachtes Problem, das für die heute von eben diesen Leuten gescholtene, angebliche Gratis-Mentalität mit verantwortlich ist. Dieses zu lösen, wird die wichtigste Aufgabe für Journalisten, die im Netz Geld verdienen wollen.

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