Media Convergence ist aus Nutzersicht schick, bequem und in einer mobilen Gesellschaft opportun. Der Rezipient profitiert. Aus medienökonomischer und aufmerksamkeitsökonomischer Perspektive sind die Konvergenz der Kommunikationsplattformen und die Vervielfältigung der Ausspielungskanäle ebenso rational wie zwingend erforderlich. Der Medienunternehmer profitiert. Aber für die lohnabhängigen Produzenten redaktioneller Medieninhalte ist der schleichende Fusionsprozess schlicht eine Katastrophe, insbesondere für Journalisten.

Deren Leistung rechnet sich in einer vielkanaligen Medienwelt nicht mehr ohne weiteres, sie ist nicht länger ökonomische konvertierbar auf dem Niveau des 20. Jahrhunderts, als anzeigenfinanzierter, in massenmedialer Organisation betriebener Journalismus über viele Jahre ein wirtschaftliches Erfolgsmodell etablierte und viele Journalisten in Lohn und Brot gebracht hatte (Meier 2009). Der Journalist verliert.
Als Berufsgruppe sind traditionelle Journalisten grosso modo die Verlierer der technischen Entwicklung, weil sich ihre Arbeitskraft in Personalkosten niederschlägt, die den größten Teil der Fixkosten journalistischer Medien ausmachen. Insofern sehen sie sich – seit absehbar ist, dass die Medienkrisen des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts weniger konjunktureller als struktureller Natur waren – einer Situation gegenüber, wie sie der Arbeiterschaft in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als Folge der modernen industrieller Massenfertigung begegnete. Der ressourcen- und personalintensive Journalismus verliert den Kampf gegen den allgegenwärtigen Online-Content und begibt sich auf den leidvollen Weg seiner Marginalsierung.
Die Existenz eines Berufsstands ist bedroht
Die massenhafte Verbreitung journalistischer und journalismusähnlicher Inhalte im Internet und die damit zusammenhängende crossmediale Ausspielung der Inhalte durch die zentrale Drehscheibe des Webs (vgl. Meier 2007b; Meier 2007c) bedrohen die Existenz weiter Teile eines Berufsstands. Journalistischer Content und mithin seine Produzenten zeichnen damit in der Konsequenz der Digitalisierung von Medieninhalten eine Entwicklung nach, die im Musikgeschäft dank Tauschbörsen und illegaler Downloadportale schon eine Dekade früher begonnen und später kraft größerer Bandbreiten und kürzerer Downloadzeiten auch die Filmindustrie erfasst hatte.

Nur mit dem Unterschied, dass dort die Betroffenen in erster Linie die Medienindustrien, also die Unternehmen waren, während nun die Prosperität und das Überleben solcher Medienunternehmen davon anhängen, mit welchem Geschick die Unternehmen ihre Belegschaft verkleinern, um rentabel zu bleiben. Das wurde erforderlich, um in Zeiten der Umsonstkultur und Gratismentalität, die durch frei verfügbare Inhalte im Netz nachhaltig etabliert wurde, profitabel zu bleiben. Keine guten Aussichten für Qualitätsjournalismus. Das mobile Endgerät iPad markiert dabei einen vorläufigen Höhepunkt journalistischer Crossmedialität. Die sprichwörtliche Ironie des Schicksals zeigt sich darin, dass die bei der Präsentation des iPad durch Apple-Chef Steve Jobs jubelnden Journalisten einer Entwicklung huldigten, die eine existentielle Bedrohung für den eigenen Berufsstand herauf beschwören könnte.
Noch bieten auch die naheliegenden Innovationen der Redaktionsorganisation keinen Anlass für Optimismus, zumindest wenn man den traditionellen Zeitungsjournalismus und die Wahrung von Qualitätsstandards vor Augen hat. Newsroom- und Newsdesk-Konzepte bieten zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Themenstrukturen und ihre Steuerung an die digitalen Vorgaben der Gegenwart anzupassen (vgl. Meier 2006; Meier 2007a; Schultz 2007). Die klassischen Redaktionsorganisationen lösen sich mittlerweile schrittweise auf, denn die heutige Art der Umweltinformation lässt sich weder in den klassischen Ressorts (Politik, Wirtschaft, Kultur, Lokales, Sport) adäquat verteilen, noch sind die zur Nachrichtentransformation anstehenden Ereignisse und Informationen fürderhin mediengattungsspezifisch monopolisierbar. Die Verleger des frühen 21. Jahrhunderts aber werden sich vermutlich dem künftigen Historikerurteil gegenüber sehen, dass sie die Chancen der redaktionellen Innovation nur wirtschaftlich und nicht publizistisch wahrgenommen haben. Wer aber heute Crossmedia- und Newsdesk-Konzepte als Diätplan oder als Aufforderung zur Ausbildung der berüchtigten Eier legenden Wollmilchsäue missversteht, verpasst die wenigen Zukunftsoptionen im Journalismus. Doch bislang scheint es, haben die wenigsten Verleger begriffen, dass Crossmedia keine Strategie ist, um Rationalisierungsmaßnahmen durchzusetzen. Crossmedia ist eine Strategie, Ressourcen neu zu organisieren, um vom Zeitungs- zum Medienkonzern zu wachsen. In der Theorie. Aber in der Praxis?
***
Prof. Ralf Hohlfeld ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Passau und Mit-Herausgeber von „Universalcode“. Dieser Text stammt aus dem von ihm herausgegebenen Sammelband „Crossmedia-was bleibt auf der Strecke?“ und ist erschienen im LIT-Verlag. Der Auszug des Textes wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors hier verwendet.