Erst die Aufmerksamkeit – dann das Geld…

by Christian Jakubetz

Wir haben vielleicht keine Journalismus-Krise – wohl aber eine Finanzierungskrise: Darauf können sich inzwischen die allermeisten einigen. Wie kommt man raus der Krise? Für Karsten Lohmeyer ist klar: Mit den bisher funktionierenden Geschäftsmodellen nur noch sehr eingeschränkt…

Journalisten bei der Arbeit: Der technische Wandel ist herausfordernd genug – aber kann man davon dann auch noch leben? (Foto: Jakubetz)

Karsten Lohmeyer ist einer, der sich wie kaum ein anderer Blogger in Deutschland mit diesem Thema auseinandersetzt. Dass sein Blog lousypennies.de heißt, ist da kein großes Wunder. Fragt man Lohmeyer danach, wie eine digitale Ökonomie für Journalisten fallen könnte, landet man immer wieder vor allem bei einem Thema: Aufmerksamkeit ist inzwischen eine Währung. Direkt nach Geld vermutlich die zweitwichtigste…

Bei der re:publica in Berlin haben wir darüber gesprochen (das Gespräch ist eine aus Gründen der Lesbarkeit leicht redigierte Fassung; das Original-Audio finden Sie oben).

Karsten Lohmeyer ist bei mir – der Mann, der sehr viel über die Finanzierung von Journalismus bloggt. Wir sind hier gerade auf der re:publica in Berlin und natürlich ist auch das hier wieder ein Thema: Wie geht es weiter mit der Finanzierung von Journalismus? Karsten, hast Du eine bahnbrechende Erkenntnis schon mitgenommen?

Bahnbrechend leider nicht. Das ist ja sehr kompliziert mit der Finanzierung von Journalismus. Für mich ist die wichtigste Erkenntnis, dass es eben nicht reicht, über tolle journalistische Ideen zu diskutieren, sondern immer und sofort auch über eine konkrete Vermarktungs-Idee zu sprechen: Wie verdiene ich Geld damit? Das ist ein Thema, über das man gar nicht früh genug nachdenken kann. Ich habe mich hier mit einer Kollegin unterhalten, die ein spannendes journalistisches Projekt hat. Die hat mir erzählt, was sie verlangt von ihren Leuten, auch von institutionellen Sponsoren. Mein Kommentar war: Warum verlangst du nicht mehr? Warum gibst du dich mit so wenig zufrieden? Jetzt bin ich mal gespannt: Hoffentlich findet sie jemanden, der das auch zahlt.

Das ist genau die entscheidende Frage. Man kann ja immer viel verlangen. Man muss aber auch jemanden finden, der es finanziert. Welche Möglichkeiten siehst Du, dass Journalisten mehr verdienen können als diese sprichwörtlichen lousy pennies

Der freie Journalist wird sich wie in der Vergangenheit auch durch eine Vielzahl von Möglichkeiten finanzieren. In dem Moment, wo er aber auch die digitalen Möglichkeiten nutzt wie beispielsweise soziale Medien, wird er andere Formen der Monetarisierung und Vermarktung finden und muss vor allem lernen, sich dort zu vermarkten.

Ich würde gerne ein paar Fragen stellen, die ich regelmäßig höre, wenn ich auf irgendwelchen Seminaren bin.  Als erstes gleich eine zu den angesprochenen sozialen Medien: Mit Facebook verdient man doch kein Geld?

Karsten Lohmeyer

 Nicht direkt, aber das ist ja der große Irrtum. Ich muss nicht mit allem, was ich tue, direkt Geld verdienen. Ich zahle ja auf meine Persönlichkeits-Marke ein. Ich verbreite meine Inhalte und werde damit nicht nur für Leser, sondern auch für Auftraggeber interessant. Es muss nicht jeder ein neuer Richard Gutjahr werden. Aber wir müssen durchaus lernen, dass alles, was wir tun, einen Vermarktungscharakter hat.

Zweiter Satz, den ich regelmäßig auf meinen Seminaren höre: Im Internet wollen die Leute alles umsonst.

Nein, nicht unbedingt. Die Leute sind es leider gewohnt, für Content kein Geld zu zahlen und es gibt auch eine Content-Inflation. Wir sehen aber in einigen Bereichen, dass die Menschen durchaus bereit sind für eine Form von Inhalten im Netz Geld zu zahlen. Leider ist das halt nicht unbedingt im journalistischen Bereich so. Wir sehen es in der Musik. Wir sehen das im Bereich Video. Wir sehen aber auch, dass die Menschen durch die Versuche von Paid Content zunehmend lernen, dass journalistischer Inhalt etwas wert ist.

Wäre es aus deiner Sicht sehr grausam und unangebracht, wenn man vielleicht auch manchen Journalisten sagen würde: Es wird künftig nicht mehr für euch alle Platz sein?

 Das ist eine unangenehme Wahrheit. Wolfgang Blau hat mal im Interview mit einer österreichischen Zeitung gesagt, man müsse der Sache  in die Augen sehen. Es werden nicht alle Medien überleben und es werden schon gar nicht alle Medien die digitale Transformation schaffen und dann sterben die halt. Das ist leider so. Genauso wie die Kutschenbauer nicht mehr ganz so zahlreich sind und auch die Vinylpresser nicht mehr ganz so zahlreich sind.

Die kommen gerade wieder zurück…

Aber nicht in der Menge wie sie mal waren. Auch Print wird noch ein langes und tolles Leben haben, aber es wird nicht mehr die Massen an Journalisten beschäftigen, die es heute noch beschäftigt.

Eine neue Theorie sagt gerade ungefähr Folgendes: Im Netz gibt es unglaublich viele Sachen. Man kann mit Mittelmaß, also mit Dingen, die keine Aufmerksamkeit erregen, nicht mehr überleben. Bedeutet das, wir müssen auffallen um jeden Preis?

Auffallen durch Qualität durchaus. Natürlich muss man ein bisschen zum Klassen-Kaspar werden. Allerdings glaube ich fest daran, dass sich Qualität durchsetzt immer durchsetzen wird und auch das sehen wir im digitalen Raum. Wenn man sieht wie erfolgreich z.B. ZEIT ONLINE mit einer Qualitätsstrategie ist, dann macht mir das Mut.

Jetzt gibt es aber immer noch viele, die sagen: Wir kennen alle diese Beispiele, wo es gut funktioniert. Aber das ist ja immer noch eher die Ausnahme als die Regelt. Und zweitens: Wir werden die Verluste, die wir jetzt speziell in unserem analogen Stammgeschäft haben, nicht durch digitale Erlöse kompensieren können.

Werden wir auch nicht. Und deshalb habe ich die Theorie, so grausam sie klingen mag: Wir sind erst am Anfang der Medienkrise. Das große Sterben wird kommen, wenn die Verantwortlichen in den Unternehmen für Marketing nicht mehr an Print gebunden sind. Man kann sich darüber beschweren. Man kann jetzt heulen und sich auf den Boden schmeißen und sage: Ich will aber, dass die gute alte Welt wieder zurückkommt. Aber sie wird nicht zurückkommen.

Kannst du wenigstens ansatzweise Journalistenkollegen verstehen, die Dinge sagen wie: Ich will doch gar kein Unternehmer sein. Ich will mich nicht selbst vermarkten müssen. Ich will nicht jeden Tag auf Facebook oder sonst wo den Kasper machen. Ich will einfach meinen Job als Journalist machen und davon leben können.

Das ist sehr legitim. Denn in dem Moment, wo ich mich um den ganzen anderen Kram kümmern muss, verliere ich vielleicht viel von meiner journalistischen Identität und Unabhängigkeit. Das heißt aber, diese Journalisten brauchen jemanden, der die Vermarktung übernimmt. Eine kleine Beobachtung aus dem Bereich des Bloggens, mit dem ich mich sehr stark beschäftige: Die Blogs die von Anfang an auch sehr stark auf das ganze Thema Vermarktung gesetzt haben, sind nicht von Journalisten gegründet worden. Beispielsweise die „Tegernseer Stimme“. Die wurde von einem studierten BWLer gegründet und deswegen ist die vermutlich wirtschaftlich so erfolgreich.

Wir haben aber doch gerade auf der anderen Seite bei Lokal-Blogs im letzten und im vorletzten Jahr auch erlebt, wie einige mit großen Hoffnungen gestartet wieder zu machen mussten. Macht der Kollege am Tegernsee so viel richtig oder haben die anderen einfach nur viel falsch gemacht? Oder beides zusammen?

Ich glaube, er hatte einen langen Atem. Er hatte die Bereitschaft, Fehler zu machen. Und er hat vermutlich einen ganz klaren Businessplan im Kopf gehabt.

Wenn Dich heute ein Kollege fragt, wie werde ich die nächsten 20 30 Jahre in meinem Beruf überleben, wie muss ich mich positionieren – was antwortest Du?

Er muss vor allem bereit sein, sich ständig weiterzuentwickeln. Er muss bereit sein, sich auf die Transformation in die digitale Medienwelt einzulassen. Was ich leider viel zu oft sehe ist, dass gerade die jungen Kollegen, die auf die Journalistenschulen kommen, noch sehr stark ihre Köpfe in einer Welt haben, die ich gar nicht mehr als existent betrachte. Journalismus kann nach wie vor der geilste Beruf der Welt sein. Aber so wie er in den Büchern steht, wird er nicht mehr existieren.

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