Ein langes Textstück in der Wochenend-SZ, dazu eine aufwändige Web-Reportage: Der „Schwarze Tod“ von Isabelle Buckow und Christian Werner gehört zu den Glanzstücken des Jahres 2014. Im Interview erzählen sie, wie das Stück entstanden ist. Und was Redaktionen aus ihrer Sicht viel öfter tun sollten…
Ihr habt die Geschichte einmal als Fließtext und einmal als Multimedia-Reportage gemacht – warum?
Isabelle Buckow: Wir sind davon überzeugt, dass das eine Mischung ist, die sich perfekt ergänzt. Ein Text kann die Wirklichkeit schon sehr genau beschreiben und starke Emotionen erzeugen. In manchen Dingen ist das Wort dem Bild aber unterlegen. Ein Foto oder ein Video kann die gleiche Szene auf ganz eine andere, oft intensivere Art erzählen. Man kommt einem Menschen viel näher, wenn man ihn sieht und reden hört. Man kann sich in eine Szene besser hineinversetzen, wenn man die Umgebungsgeräusche hört. Wir glauben, dass die Mischung von Text, Foto und Video eine ganz neue Ebene des Geschichten-Erzählens erzeugt, die sehr vielschichtiger ist jede bisherige Berichterstattung.
Was war bei der Multimedia-Reportage schwerer: Material zu bekommen oder womöglich es wegzulassen?
Christian Werner: Etwas wegzulassen, definitv. Man hat rund 20 Stunden Videomaterial, O-Töne, Schnittbilder und Atmo gesammelt. Daraus muss man die Quintessenz herausfiltern. Das ist nicht immer einfach.
Wie viele Leute wart ihr, wer hat was gemacht?
Christian Werner: Wir haben die Geschichte zu zweit recherchiert und umgesetzt: Isabelle hat die Texte geschrieben, ich habe die Videos gefilmt, geschnitten und außerdem die Konzeption und die Umsetzung der Multimedia-Reportage übernommen. Dazu kamen Aufgaben, für die wir uns externe Hilfe geholt haben: Übersetzer, Grafiker, Programmierer, Animatoren. Und natürlich sind bei einer Veröffentlichung in einer Zeitung oder in einem Magazin immer auch Personen beteiligt, die die Geschichte redaktionell betreuen.
War das Thema von Haus aus als Multimedia-Reportage gedacht? Habt ihr euch ein Storyboard gemacht oder einfach drauflos geschrieben?
Isabelle Buckow: Wir haben die Geschichte selbst als freie Journalisten aufgetan, geplant, recherchiert und durchgeführt – auf eigenes (finanzielles und gesundheitliches) Risiko, ohne die Unterstützung einer Redaktion, ohne zu wissen, ob wir die Geschichte später loswerden würden. Wir haben von Anfang an geplant, Beides zu machen: Print-Geschichte plus Multimedia-Reportage. Ich habe zuerst einen groben Aufbau der Geschichte skizziert. Dann habe ich überlegt, welches die stärksten Szenen sind, die mich am meisten berührt haben, – und die ich für den Text brauche, damit die Geschichte am Ende rund ist. Christian hat sich die übersetzen O-Töne ausgedruckt, die Sätze, die am stärksten waren, ausgeschnitten und sich dann eine grobe Struktur überlegt. Über die O-Töne hat er dann das optische Videomaterial gelegt. Als die Geschichte fertig war, haben wir es verschiedenen Redaktionen angeboten.
Ist der Aufwand für eine solche Reportage durch den Ertrag zu rechtfertigen, also sowohl redaktionell als auch finanziell?
Isabelle Buckow: Mit dem Honorar konnten wir unsere Reisekosten decken. Das klingt wenig. Aber wir fanden die Geschichte so spannend, dass wir sie trotzdem machen wollten. Zumal über die Pest bislang international noch nie groß berichtet wurde. Viele Menschen wissen gar nicht, dass es die Pest überhaupt noch gibt. Allein deshalb war es den Aufwand wert.
Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen? Sowohl thematisch als auch von der Umsetzung her…
Christian Werner: Ich hatte einen Artikel gelesen über neue archäologische Erkenntnisse. Die Forscher hatten Pestleichen ausgraben lassen und analysiert. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es möglicherweise nicht die Beulenpest war, die die Menschen im Mittelalter dahingerafft hatte, sondern die Lungenpest. Daraus ergab sich die Frage: Gibt es die Pest heute noch? Das wollte ich genauer wissen. Ich habe also spontan Isabelle gefragt, ob sie mit mir nach Madagaskar fliegen würde. Ein paar Tage später saßen wir im Flugzeug.
Was wollt ihr sonst sagen?
Isabelle Buckow: Wir möchten an Redaktionen und Entscheidungsträger appellieren: Der Journalismus könnte durch die Möglichkeiten des multimedialen Storytellings revolutioniert werden – wenn Redaktionen nur mehr Zeit und Geld investieren würden.
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