Medienwandel 6. Oktober 2012

Journalismus dahoam

by Christian Jakubetz

Welche Chancen hat hyperlokaler Journalismus – ist er die Zukunft oder doch nur für potentielle Selbstausbeuter geeignet? Ein neues Projekt im Bayerischen Wald zeigt jetzt zumindest eines: Heimatverbundenheit, hyperlokale Themen und hoher journalistischer Anspruch müssen sich nicht ausschließen. Das Onlinemagazin „Da Hogn“ sieht nicht nur gut aus, sondern liest sich auch gut. Dahinter stecken zwei junge Journalisten, die erst einmal nur eines wollten: nicht so weitermachen wie bisher.

Nein, man tut dem Bayerischen Wald nicht allzu sehr Unrecht, wenn man sagt: Er ist nicht gerade die Region, aus der die allermeisten Innovationen in Deutschland stammen. Medial schon gleich gar nicht. In der Region entlang der deutsch-tschechischen Grenze gibt es seit Jahrzehnten eine weitgehend unangefochtene Monopolpresse, dazu ein bisschen Lokalradio, ein wenig regionales Fernsehen. Und auch das Netz ist weitgehend von den Machern der analogen Medien bestimmt. Kurz gesagt: Wenn man als Journalist arbeiten will, ist der Bayerische Wald vielleicht nicht eben erste Wahl.

Trotzdem gibt es dort jetzt ein ebenso spannendes wie gut gemachtes neues Projekt. Es heißt „Da Hogn“ und es ist so niederbayerisch und heimatverbunden, wie es der Name sagt.  „Das erste und einzige Onlinemagazin ausm Woid“ ist das, was in der Branche neuerdings „hyperlokaler Journalismus“ heißt: Es erzählt Geschichten ausschließlich aus der Region, für alles Überregionale interessieren sich die beiden Macher Dike Attenbrunner und Stephan Hörhammer nicht. Trotzdem ist der „Hogn“ weitaus mehr als nur eine „Lokalzeitung“ ohne überregionale Nachrichten. Das Magazin ist tatsächlich ein Magazin – und somit so ganz anders als man das von den Onlineauftritten vieler regionaler Tageszeitungen kennt. Da gibt es Debatten statt Kommentare und spannende Features statt Vereinsmeierei. Natürlich finden sich auch dort die vielen kleinen Geschichten aus dem Alltag einer ländlichen Region, der Stoff also, aus dem der Lokaljournalismus nunmal besteht.  Daneben spannt sich der thematische Bogen aber eben auch von Geschichten rund um die Themen Schule, Ausbildung und Beruf bis hin zu nostalgischen Geschichten aus dem letzten Jahrhundert.  Und über alle dem immer wieder das Motto: Heimat, Heimat, Heimat. Das geht so weit, dass die Rubriken des Magazins im tiefsten niederbayerischen Dialekt betitelt sind. Die Rubrik zum Thema Schule und Ausbildung heißt beispielsweise „I mog wos wearn“. Trotzdem ist der Umgang mit dem Begriff Heimat unverkrampft und auch weit entfernt von aller Heimattümelei.

Report über hyperlokalen Journlismus

Wie geht es mit hyperlokalem Journalismus weiter, welche Chancen bietet er? Diese und andere Fragen beantwortet der BDZV-Report „Hyperlocal 2.0“, erstellt von Universalcode-Autorin Ulrike Langer.  Praxisorientiert vermittelt der Report auf 82 Seiten journalistische Ansätze und erläutert die Wertschöpfungs- und Vermarktungsketten in diesem für viele Verlage noch neuen Segment. Der Report kann bei der ZV zum Preis ab 38 Euro bestellt werden. Weitere Informationen unter www.zv-online.de.

Indes: „Da Hogn“ ist nicht nur aus journalistischer Sicht ein interessantes Projekt. Mindestens genauso interessant ist die Geschichte der beiden frischgebackenen Magazinmacher. Dike Attenbrunner und Stephan Hörhammer steckten vor ihrem eigenen Projekt in einer Situation, die im Zeitalter von Zeitungskrisen und Medienwandel nicht sehr ungewöhnlich ist. Dike Attenbrunner arbeitete als Freelancerin im Bayerischen Wald, Hörhammer hatte einen Job bei der „Südostbayerischen Rundschau“. Gemeinsam hatten sie eines: Unzufriedenheit. Nicht mal nur wegen der finanziellen Situation – ihre Jobs ließen kaum kreative Freiräume zu. Beide Anfang 30, beide also noch mit einigen Jahrzehnten, die sie zudem in einer sich rasch wandelnden Branche verbringen sollten – was lag da näher, als die zunehmend perspektivlosen Jobs zu verlassen und sich mit dem „Hogn“ auf eigene journalistische und auch unternehmerische Füße zu stellen? Das Netz und die digitalen Produktionsmittel machen das schließlich erheblich einfacher als das noch in analogen Zeiten der Fall war. Gesagt, getan: Seit dem 10. Juni ist das Magazin nun online.

Was so wunderbar einfach und nachahmenswert klingt, hat naturgemäß auch einen Haken. Und der ist, wie so oft momentan in der Medienbrache, die Finanzierung. Geld wird mit dem Projekt derzeit noch nicht verdient. Neben Die Attenbrunner und Stephan Hörhammer schreiben auch noch andere Autoren am Magazin, alle aus Spaß an der Freud. Dabei sind durchaus ordentlichen Abrufzahlen (rund 150.000 im Monat) noch gar nicht der entscheidende Punkt. Gerade bei hyperokalen Projekten kommt es letztendlich auf zweierlei an: vom Publikum als wirklich ernsthaftes Medium angenommen zu werden. Und von regionalen Unternehmen so akzeptiert zu werden, dass zumindest ein Teil der Werbebudgets von den etablierten Platzhirschen auf die Newcomer umverteilt.

Im Interview erzählen Dike Attenbrunner und Stephan Hörhammer, wie ihr Arbeitsalltag aussieht, wie sie sich finanzieren und welche Zukunftsperspektiven sie für ihre Idee sehen.

 

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