Hyperlokal und online statt regional auf Papier – und selber machen statt in wackliger Festanstellung oder mühsamer Freiberuflichkeit: Dike Attenbrunner und Stephan Hörhammer aus dem niederbayerischen Freyung machen derzeit etwas vor, wovon andere sich nicht mal zu träumen trauen. Im Interview reden sie über ihre Gründe, sich mit dem Onlinemagazin „Da Hogn“ auf eigene Füße zu stellen und Lokaljournalismus zu machen, der mit der üblichen Vereinsmeierei so ganz und gar nichts zu tun hat…

Nach rund vier Monaten Hogn – wie sieht euer erstes persönliches Fazit aus?
Offen gestanden haben wir mit diesem großen Zuspruch nicht gerechnet. Mehr als 175.000 Seitenaufrufe binnen vier Monaten, generiert von mehr als 30.000 Einzelbesuchern – anscheinend haben wir mit unserem Onlinemagazin bei den Leuten einen Nerv getroffen – und vielleicht auch eine Lücke geschlossen, was den in den vergangenen Jahren doch sehr eingeschliffenen Journalismus in der Region Bayerischer Wald betrifft. Unsere einzige „PR-Anstrengung“, die wir bis zum Erscheinen des Artikels in der Süddeutschen Zeitung zur Steigerung des Bekanntheitsgrades hatten, ist unsere Facebook-Seite (http://www.facebook.com/dahogn) mit inzwischen mehr als 1400 Likes – und die Mund-zu-Mund-Propaganda, die wir mit unseren Geschichten auf www.hogn.de erzeugt haben. Direkt Google-optimiert ist unser Name ja nicht – aber auf jeden Fall ein Name mit Wiedererkennungswert.
Das Feedback ist von allen Seiten äußerst positiv, täglich erreichen uns User-Nachrichten, die uns zeigen, dass der Weg, den wir mit dem Hog’n-Format eingeschlagen haben, kein verkehrter ist. Es sieht so aus, als hätten wir eine Nische im Lokal-Journalismus gefunden, die viele Leute von der thematischen Mischung her anspricht – informativ, geistreich, ironisch-witzig, kritisch, heimatbezogen und trotzdem weltoffen. Hinzu kommt die optische Aufmachung unseres Online-Auftritts, der eben auch nicht von der Stange ist – obwohl wir nur auf ein bestehendes WordPress-Theme zurückgegriffen und es nach unseren Vorstellungen aufgebrezelt haben.
Dennoch ist nach den vier Monaten festzustellen: Es ist nicht alles eitel Sonnenschein. Jeder von uns arbeitet wöchentlich bis zu 80 Stunden an dem Projekt; die Ringe unter den Augen sind mittlerweile zu unserem Erkennungszeichen geworden. Aber klagen wollen wir nicht, weil uns die Arbeit wahnsinnig viel Spaß macht und wir – bis jetzt noch – Tag für Tag voll motiviert ans Werk gehen. Da Hog’n ist für uns als gelernte Zeitungsjournalisten ein spannendes Experiment, das täglich neue Überraschungen und Erfahrungen mit sich bringt. Experiment deshalb, weil wir nach vier Monaten Internet-Präsenz noch nicht sagen können, wohin die Reise gehen wird. Vielleicht ist der Hype, den wir gerade erleben, ja auch ganz schnell wieder vorbei …
Ihr wolltet ohne „Vereinsblabla“ und die anderen gerne genommenen Zutaten des Lokaljormalismus auskommen. Liest euch dann überhaupt jemand – und wenn ja, welches Publikum erreicht ihr?
Unser Publikum ist bis jetzt ein sehr gemischtes. Rein alterstechnisch betrachtet sprechen wir vorwiegend die Generation Internet/Web 2.0 an, also die 15- bis 45-Jährigen. Geografisch gesehen ist unsere Userschaft natürlich überwiegend im Raum Niederbayern respektive Bayerischer Wald angesiedelt. Interessanterweise haben wir aber auch viele überregionale Leser aus dem Raum München und Regensburg, aus Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt – und sogar aus den USA, Großbritannien, Tschechien oder Österreich. Wir erklären uns das so: Erstens sind die Waidler auf der ganzen Welt verstreut. Und zweitens finden sich aufm Hog’n auch sehr viele Geschichten von überregionalem Interesse, wie zum Beispiel ein Interview mit einem Weißwurstblogger aus Zwiesel oder ein Lagebericht von einem Freyunger Soldaten aus Afghanistan. Überregionale Themen mit regionalem Bezug – und schon gewinnt man nicht nur die einheimischen Leser.
Das „Vereinsblabla“ – ohne dies abwertend zu meinen – haben wir deshalb nicht ins Programm aufgenommen, weil dies ohnehin die Kollegen von der Tageszeitung ausführlich bedienen – und unser Magazin sich schlichtweg mit weitläufigeren Inhalten befasst als mit Jahreshauptversammlungen und Neuwahlen beim Karnickelzuchtverein. Wir sind dabei von unserem eigenen Leserverhalten ausgegangen, von der Frage: Was interessiert uns und unsere Generation? Vereinsberichterstattung hat ja auch viel mit „Pflicht-Journalismus“ aus längst vergangenen Tagen zu tun, mit angestaubten Gewohnheiten und Eitelkeiten. Doch: Wer liest denn diese Meldungen eigentlich? Vermutlich nur diejenigen, die genau bei der nämlichen Versammlung dabei waren – wenn überhaupt.
Es geht darum seinen eigenen Platz in der Medienwelt zu finden und kein Abklatsch zu sein von bereits Bestehendem. Es geht um Relevanz und die Frage, die man sich täglich stellen muss: „Wie schaffen wir es den User/Leser immer wieder von Neuem auf unsere Seite zu holen?“
Die leidige Frage nach der Finanzierung: Bis wann wollt oder müsst ihr Geld verdienen, damit ihr den Hogn weitermachen könnt?
Beim Geld-Verdienen lautet der Grundsatz: je eher desto besser. Einige fixe Werbepartner konnten wir ja bereits mit unserem „Moaktblotz“, einer Art Branchenbuch, für das Onlinemagazin gewinnen. Auch „klassische“ Bannerwerbekunden schenken uns von Zeit zu Zeit ihr Vertrauen. Von einigermaßen rentablen Zahlen, wie sie die etablierten Kollegen von der Tegernseer Stimme oder meinesüdstadt.de vorweisen können, sind wir jedoch noch ein ganzes Stück weit entfernt. Über Wasser halten wir uns mit unserer kleinen PR-Agentur, mit der wir unseren Kunden Texte, Fotos und gestalterische Dienstleistungen anbieten. Der Einwand, der von vielen Seiten jetzt kommen wird: Seriöser Journalismus und PR – das geht doch im Leben nicht zusammen! Doch. Es geht zusammen. Und bis jetzt sogar (noch) ganz gut. Sollten wir einmal in die Situation kommen, dass wir uns zwischen einem gut bezahlten PR-Auftrag und einer guten Geschichte entscheiden müssen, wird immer die gute Geschichte gewinnen. Das klingt idealistisch, ist aber für die eigene Glaubwürdigkeit unbedingt notwendig.
Wir sind der Meinung, dass es künftig immer wieder neue Erlösmodelle und Querfinanzierungsmöglichkeiten zu finden gilt, um dauerhaft bestehen zu können. Dabei muss man kreativ sein, sich ständig nach neuen Ideen umschauen – und darf natürlich nicht seine „Credibility“ aufs Spiel setzen. Ein schmaler Grat, der viel Fingerspitzengefühl und ständige Selbstreflexion erfordert.
Stichwort Zukunft: Gibt‘s einen Plan, wie sieht der aus?
Unser Plan für die Zukunft lautet relativ unspektakulär und mit einer gehörigen Prise niederbayerischer Gelassenheit gewürzt: Schau ma moi, dann seng ma’s scha. Klar wollen wir uns langfristig etablieren und wünschenswerterweise auch irgendwann davon leben können. Aber wenn es in einem Jahr heißt: Außer Spesen nix gewesen. Dann ist es halt so. Da Hog’n ist eben auch ein Experiment. Wenn es nicht klappt, sind wir um eine wertvolle Erfahrung reicher und bereit neue Projekte anzugehen – vielleicht gibt’s dann den Hog‘n im Web 3.0 oder 4.0. Wir sehen das eher unaufgeregt.
Was sagen eigentlich die Kollegen/Konkurrenten zu eurem Projekt?
Für uns als ehemalige Journalisten der einzigen regionalen Tageszeitung in unseren Breitengraden, der Passauer Neue Presse, ist es freilich spannend zu beobachten, wie die Kollegen reagieren. Wir pflegen nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis zu den Kollegen, konzentrieren uns aber in erster Linie auf uns selbst und unsere eigenen Stärken. Wobei wir die PNP nicht als unmittelbare Konkurrenz sehen – dafür sind wir zu unterschiedlich ausgerichtet und dafür gibt es zu wenige Überschneidungspunkte. Wir sind ein Online-Magazin, das keinem täglichen Termindruck ausgesetzt ist wie eine Tageszeitung. Inhaltlich betrachtet mag es die einen oder anderen gemeinsamen Themen geben – wir versuchen jedoch stets auf unsere eigene Art und Weise journalistisch an diese heranzugehen und eigene Schwerpunkte zu setzen.
Generell gefragt: In der Branche wird momentan sehr von den Möglichkeiten des hyperlokalen Journalismus geschwärmt. Ist das in der Praxis auch so toll wie in der Theorie?
Toll ist es dahingehend, dass man selbst darüber bestimmen kann, was in seinem Medium alles passiert. Man ist sein eigener Herr, kann eigenverantwortlich Themenschwerpunkte setzen und die ganze technische Bandbreite des Internets ausnutzen. Wir haben keinen großen Verlagstanker im Hintergrund, der die Schlagzahl und die Ausrichtung vorgibt. Unabhängigkeit lautet hier das Stichwort. Das hat viel mit Selbstverwirklichung und eigenen Anspruch an seine Berufsvorstellung zu tun.
Schaut man sich den Arbeitsalltag eines hyperlokalen Journalisten an, bleibt in unserem Fall zu sagen: Es ist eine sehr arbeitsintensive Aufgabe, die täglich den vollen Einsatz und die volle Aufmerksamkeit abverlangt. Ein 24/7-Job. Man schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen, ist mal Journalist, mal Geschäftsmann, mal Mediengestalter, mal Repräsentant der eigenen Firma und Marketingstratege zugleich. Ein abwechslungsreicher Job – in jeder Hinsicht. Und genau deswegen haben wir uns für diesen Schritt entschieden.
Was ist das Onlinemagazin „Da Hog´n“ und was passiert dort? Die ganze Geschichte lesen Sie hier.
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