Digitales Leben 12. September 2012

Killt Video schon wieder den Radio Star?

by Christian Jakubetz

Videos werden immer wichtiger, Audios stagnieren. Wenn man den aktuellen Statistiken folgt, dann ist die Entwicklung multimedialer Inhalte im Netz eindeutig. Trotzdem: Verwackelte Videos sind nicht grundsätzlich cool und gut, moniert Videomacher Markus Hündgen. Und Radiomann Daniel Fiene hält den Zahlen bei Podcasts entgegen: „Tot sieht anders aus.“

Stagnierend – aber „tot sieht anders aus“: Audios und Podcasts im Netz können zumindest quantitativ mit Videos nicht mehr mithalten. (Foto: Christian Jakubetz)

Immer dann, wenn es um multimediale Inhalte im Netz geht, fallen zwei Begriffe zwangsläufig: Video und Audio. Zwei Dinge, die man haben muss, glaubt man den einschlägigen Expertenmeinungen. Schaut man sich allerdings die aktuellen Zahlen der Onlinestudie von ARD und ZDF an, dann fällt eines sofort ins Auge: Während die Nutzung von Video weiterhin signifikant ansteigt, stagniert die Bedeutung von Audio allem Anschein nach. Vor allem Audio-Podcasts sind in der Nutzung zumindest statistisch auf eigen Größenordnung zurückgefallen, bei der man die Frage nach der Relevanz durchaus stellen darf. Demnach geben nur noch vier Prozent der Nutzer an, Audio-Podcasts regelmäßig zu zu nutzen. Was unterdessen allerdings auch daran liegen könnte, dass durch die Möglichkeiten von Streaming eine Technologie, bei der man sich Dateien auf eine Festplatte zieht, nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist.  Denn: Auch Videopodcasts werden statistisch gesehen nur von vier Prozent der User regelmäßig genutzt.

Man kennt den Song ja noch aus den 80ern: Video killed the radio star. Um den Siegeszug des TV ging es damals und das vermeintlich unaufhaltsame Ende des Radios. Heute weiß man, dass die Prognose falsch war. Dennoch: Der Trend ist auch jetzt, knapp 30 Jahre später, wieder unübersehbar: Die Menschen schauen lieber als nur zuzuhören. Oder? Zumindest  ist unübersehbar, dass Video im Netz mittlerweile zum deutlich größeren und wichtigeren Medium geworden ist, zumindest den Nutzerzahlen nach. In den Jahren bis 2009 legte die Audionutzung konstant zu, seither stagniert sie. Seit 2009 hat sie sich de facto nicht mehr verändert. Faustregel: Jeder zweite Nutzer hört sich Audios im Netz an. Das bedeutet für Journalisten allerdings nicht, dass damit auch journalistische Inhalte gemeint sind. Einen beträchtlichen Anteil daran haben nämlich beispielsweise Musikdateien oder auch Live-Radio-Programme im Netz.

Dagegen klettert die Videonutzung im Netz weiterhin konstant nach oben — was sicher auch mit den stetig wachsenden Bandbreiten und den besser ausgestatteten Rechnern in den letzten Jahren zusammenhängt.  Aktuell geben 70 Prozent der in der Studie befragten Nutzer an, regelmäßig Videos im Netz zu sehen. Zum Vergleich: 2007 waren es erst 45 Prozent. Auffällig ist beim Thema Webvideos vor allem der enorm hohe Anteil von privat gedrehten Filmen. Mit 43 Prozent der auf Portalen wie YouTube angesehenen Videos sind privat gedreht. Auf einen derart hohen Anteil kommen ansonsten nur Musikvideos. Zumindest eines also lässt sich aus dieser Zahl herauslesen: Audiovisuelle Inhalte sind im Netz keineswegs mehr eine Domäne der großen und kommerziellen Anbieter, sprich Sender. Der Erfolg eines Videos im Netz ist nicht mehr davon abhängig, dass ein großer, bekannter Name mit einer hochprofessionellen Produktion dahinter steht.

Markus Hündgen

Indessen: Mindestens ebenso falsch ist die weit verbreitete Annahme, bei Webvideos seien qualitative Ansprüche nicht wichtig. Oder, noch schlimmer: Es sei irgendwie cool und netzaffin, wenn ein Video verwackelt und mit lausigem Ton gedreht sei. Markus Hündgen hat bei „Universalcode“ das Kapitel über Webvideos geschrieben – und sich in einem aktuellen Blogposting ziemlich echauffiert: „Wackelvideos sind nicht cool, nicht authentisch und schon gar nicht typisch für ein Webvideo. Nein, sie sind einfach nur verwackelt. Und ganz selten ein gewolltes Stilmittel.“ Und auch für die Frage nach dem Ton findet der „Videopunk“ klare Worte: „Der Ton macht noch immer die Musik und das gilt auch für Webvideo.“

Aber woher kommt dann die Stagnation bei den Audios? Daniel Fiene, bekannter Radiomacher aus Düsseldorf und ebenfalls Autor beim „Universalcode“, ist zumindest in Sachen Podcasts wenig überrascht über diese Entwicklung: „Der Hype ist Jahre vorbei. Ich finde es aber gut, dass die Leute Podcasting kennen und das auch in Sendern Alltag geworden ist. Die Hörer fragen danach.“ Zumal die Entwicklung der privaten Podcasts für Fiene auch nicht so schlecht ist, wie es die Statisktik möglicherweise vermuten lässt:  „Wenn ich mir die Abrufzahlen der großen privaten Podcasts in Deutschland anschaue: Tot sieht anders aus.“

 

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