Digitales Leben, Interview 21. März 2018

Ralf Heimann: Der netteste Kritiker Deutschlands

by Christian Jakubetz

Wie lebt es sich als digitaler, freischaffender Journalist und Medien-Tausendsassa? Was ist so ambivalent am Lokaljournalismus? Diese und andere Fragen über journalistische Gegenwart und Zukunft – diesmal im Podcast mit Ralf Heimann.

Ralf Heimann, 1977 geboren, ist freier Journalist und Autor. Nach seinem VWL-Studium volontierte er bei den Ruhr Nachrichten und der Münsterschen Zeitung, wo er acht Jahre lang als Redakteur arbeitete. 2014 kündigte er und schrieb in seinem Blog „Operation Harakiri“ über den Ausstieg aus dem Lokaljournalismus. 2012 erschien sein Buch „Die tote Kuh kommt morgen rein“, eine Satire über die Arbeit eines Reporters auf dem Land. Im Juli 2015 folgte der erste von drei Bänden der Stilblütensammlung „Lepragruppe hat sich aufgelöst – Perlen des Lokaljournalismus“, die er zusammen mit Jörg Homering-Elsner herausgibt.

Ralf, kann es sein, dass du Deutschlands nettester und witzigster Medienkritiker bist?

Nettes Kompliment, aber das kann ich beim besten Willen nicht glauben.

Lokaljournalismus. Ralf Heimann. (Foto: Fischer Verlag)
Ralf Heimann. (Foto: Fischer Verlag)

Aber ist es nicht so, dass Medienkritik in Deutschland gerne mal etwas Verbissenes an sich hat? Man weist anderen erst mal nach, was sie alles falsch machen. Und gerade Menschen wie Stefan Niggemeier können das ja auch alles bis ins letzte Detail belegen. Wahrscheinlich haben sie mit vielem auch recht, was sie schreiben. Aber ich habe immer das Gefühl, das ist schon alles sehr verbissen. Und jetzt kommst du und machst das mit so einer entspannten Art…

Ich stelle ja eher fest, dass Medienkritik so gut wie niemand interessiert. Dabei könnte man denken, dass das anders ist. Weil das ein Thema ist, bei dem alle mitreden könnten. So wie bei Fußball oder Politik. Aber das habe ich schon vor Jahren festgestellt, als ich noch als Zeitungsredakteur gearbeitet habe…

Ich finde ja Medienkritik öfter so ein bisschen hart am Rand zur Besserwisserei. Das sind oft Momente, in denen ich denke: Im Prinzip habt ihr ja Recht, aber jetzt nehmt bitte den Zeigefinger wieder runter…

Das ist ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits gefällt mir so ein Zeigefinger natürlich auch nicht, aber den nehme ich selber gar nicht so sehr wahr. Zum anderen glaube ich, man muss eben genau sein und dann muss man auch auf Kleinigkeiten herumreiten, was natürlich problematisch sein kann…

Ich habe das Gefühl, dass diese Schärfe der Kritik sehr mit den Aufgeregtheiten im Netz zu tun hat. Kleines Beispiel: Unlängst hat die Digitalministerin Dorothee Bär bei Twitter fotografiert, dass sie mit der Bahn liegengeblieben ist und hat dann geschrieben, dass jetzt ein Flugtaxi eine schöne Sache wäre. Das Dumme an der ganzen Geschichte war, dass Frau Bär anscheinend nicht gesehen hatte, dass es sich um einen Notarzt-Einsatz am Gleis handelte. Frau Bär hat das dann auch gemerkt. Sie hat ihren Tweet gelöscht und hat geschrieben, man müsse auch zu den Fehlern stehen. Trotzdem hatte sie es noch eine ganze Zeit mit einem Mini-Shitstorm zu tun…

Ich habe das auch gesehen – und mehrere Sachen gedacht. Zum einen natürlich: Oh Gott, ja, das war ein Fehler, aber dann muss es auch irgendwie wieder gut sein. Zum anderen hat man es da aber auch mit Leuten zu tun, die sowas professionell machen. Dann ist die Frage: Welche Erwartungen kann man haben? Kann man davon ausgehen, dass die solche Sachen eben einfach nicht machen?

Da gibt es ja gewisse Dinge, bei denen man sich schon wundern würde, wenn jetzt ein Minister etwas posten würde, was man vielleicht selber schon mal irgendwie gemacht hat. Betrunkene Bilder oder so. Ich tendiere eher dahin, es gut zu finden, wenn Politiker ein bisschen menschlicher und freier sind und nicht immer nur mit ihrem Pressesprecher abgesprochene Dinge veröffentlichen.

Zum anderen habe ich aber auch Verständnis dafür, wenn Leute sagen: Das kann doch nicht wahr sein, weil das ist ja nun gerade die Staatsministerin ist, die auch für diesen ganzen Kram zuständig sein sollte.

Und vielleicht kann man da ein bisschen mehr Feingefühl verlangen…

Es war ja nicht so, dass sie das Feingefühl nicht gehabt hat. Sie hat es offensichtlich wirklich nicht gesehen.

Ich habe das Foto auch gesehen. Das war ja nicht zu übersehen, da standen mehrere Menschen auf dem Foto, die deutlich erkennbar Sanitäter-Klamotten anhatten. Aber ich weiß nicht, ob ich das selbst in dieser Situation richtig eingeschätzt hätte. Man kann es im Nachhinein auch schwer sagen. Und bei mir wäre natürlich auch die Aufmerksamkeit nicht so groß wie bei Dorothee Bär. Zwischendurch lösche ich ja auch mal einen Tweet von mir, weil ich denke, der war irgendwie doof.

Aber weil wir gerade bei Frau Bär waren: Da war jetzt ja dieses Interview im “heute-journal“. Da hat sie unglücklich reagiert. Sie wollte irgendwie ablenken von der Frage nach dem Breitband-Ausbau und hat dann dieses Flug-Taxi ins Spiel gebracht, was ja eigentlich ein legitimes Thema ist. Wenn sie bei einer anderen Gelegenheit gesagt hätte: Lassen Sie uns mal über fliegende Autos sprechen, das wird wahrscheinlich bald akut, dann hätten die Leute wahrscheinlich nicht darüber gelacht. Aber in diesem Zusammenhang wirkte das ein bisschen absurd.

Aber natürlich wollte sie eigentlich sagen: Lassen sie uns nicht über so etwas reden wie Glasfaserkabel oder Kabel, sondern über Visionen. Das ist natürlich schon berechtigt, so etwas zu sagen. Danach haben sich viele Leute darüber lustig gemacht. Das sind die üblichen Reflexe, die bei Twitter zustande kommen. Ich falle auch immer wieder darauf rein, sowas einfach nicht so ernst nehmen.

Da habe ich habe mich echt über mich selber geärgert. Ich bin auch darauf reingefallen und habe einen leicht spöttischen Flugtaxi-Tweet abgelassen. Ich gestehe: Ich hatte diese Geschichte nur ein bisschen überflogen, wie das halt in so einer Filter-Bubble geht. Bei mir kam erstmal nur an: Die hat allen Ernstes gesagt, das wichtigste Thema seien Flugtaxis! Aber so war es ja gar nicht. Ich denke mir zweierlei: Erstens lässt man sich selbst in sozialen Netzwerken zu ziemlichen Blödheiten verleiten. Und zweitens: Ich bin ich echt froh, dass ich nur so ein kleines Licht bin und nicht unter Dauerbeobachtung stehe…

Ja, da kann man nur schwer widersprechen. Es ist aber andererseits gut, selbst wenn es vielleicht wehtut, dass man die Reaktionen mitbekommt. Das ist wahrscheinlich besser, als wenn man immer irgendetwas redet und denkt, das wird wohl so von den Leuten goutiert. Aber alles in allem ist das schon manchmal eine seltsame Atmosphäre, der man sich irgendwann entziehen möchte. Das Gefühl habe ich jedenfalls auch manchmal.

Ich mag Lokaljournalismus, weil er so nah und direkt ist. Dadurch kann etwas sehr Lebendiges entstehen. Aber das ist bei vielen Lokalredaktionen leider nicht der Fall, weil es an vielem fehlt.

Lass uns nicht nur über Dorothee Bär reden. Sondern über ein Thema, an dem man schlecht vorbeikommt, wenn man sich mit dir unterhält: Lokaljournalismus! Kann es sein, dass du dazu so eine Art Hassliebe hast?

Ja, aber das ist alles ein bisschen entspannter geworden, seit ich nicht mehr selber für eine Lokalzeitung arbeite. Ich bin eigentlich immer noch ganz begeisterter Leser von Lokalzeitungen und ich finde die Idee, die dahinter liegt, auch ganz toll. Ich mag Lokaljournalismus, weil er so nah und direkt ist. Dadurch kann etwas sehr Lebendiges entstehen. Aber das ist bei vielen Lokalredaktionen leider nicht der Fall, weil es an vielem fehlt.

Wenn man es mit dem Lokaljournalismus gut meint, muss man das ja irgendwie schade finden. Klar gibt es diese vielen lustigen Sachen, die da passieren und die du ja auch zwischen den drei Bänden der „Perlen des Lokaljournalismus“ festgehalten hast. Aber es gibt eben oft auch so ärgerliche Dinge, wo man wirklich sagt: Hier liegen die Geschichten auf der Straße und ihr bringt so dröges Zeug, Verlautbarungsjournalismus und Terminjournalismus. Und das Schlimme an der ganzen Geschichte ist, dass es diese Kritik inzwischen schon seit 50 Jahren gibt. Das ist ja nichts, was Ralf Heimann und Christian Jakubetz erfunden haben. Warum ändert sich da so wenig? 

Ich weiß es nicht. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass sich gar nichts ändert. Ich habe gerade erst gelesen, dass zum Beispiel „Zeit Online“ ihr Lokaljournalismus-Projekt fortführt. Weil sich gezeigt hat, dass die Leute diese gut geschriebenen lokalen Texte lieber lesen als Geschichten über Donald Trump.

Ein Problem der Lokalredaktion war ja auch lange, dass man es eben nicht sehen konnte, wie was bei den Lesern ankommt. Wenn man dann gefragt hat, warum macht ihr das eigentlich so, dann hat man gesagt: Die Leser wollen das so!

So kann man natürlich alles rechtfertigen und so kann man auch rechtfertigen, dass sich nichts verändert. Aber alles in allem gibt es da wirklich sehr große Unterschiede. Es gibt Zeitungen mit sehr guten und talentierten Journalisten. Und halt auch welche mit Kollegen, die einfach nur auf ihre Rente warten.

Dann müssen wir zwei Schlaumeier uns aber vermutlich auch fragen lassen: Wenn das alles so toll ist und ihr alles begriffen habt, warum macht ihr dann nicht selbst einfach guten, besseren Lokaljournalismus?

Ich habe für mich eine Antwort: wegen des Geldes natürlich! Nein, wirklich, ich würde das gerne machen. Ich würde auch nebenbei als Lokaljournalist arbeiten, weil ich das eigentlich gut finde. Das ist eine schöne Aufgabe. Aber ganz ehrlich: Ich weiß nicht, wie ich davon leben soll.

Das ist aber doch wahrscheinlich ein Problem, das Journalisten momentan generell haben, nicht nur die Kollegen im Lokalen…

Nein, das nicht. Aber ich bin ja auch da wieder ein bisschen zwiegespalten. Einerseits denke ich als Freiberufler natürlich wie ein Unternehmer. Und das vergisst man als Journalist ja schnell mal, dass das auch ein Beruf ist, mit dem man Geld verdienen kann – und muss!

Wenn Journalisten dann über ihren geringen Verdienst klagen, weiß ich nicht, welchen Schluss man daraus ziehen sollte. Aber das liegt natürlich auch daran, dass die Leute bereit sind, für so wenig Geld zu arbeiten.

Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich mir das mal ausgerechnet, was ich so verdienen muss, wenn ich auf 3000 Euro brutto kommen möchte. Das ist ja nun wirklich nicht viel, das ist einfach nur das Minimum. Weniger geht nicht. Aber schon dafür brauche jeden zweiten Tag einen Auftrag für 300 Euro. Mindestens! Dann sind noch nicht einmal Urlaube drin und man muss ja noch einiges anderes bezahlen.

Das muss man alles zusammenrechnen – das ist total utopisch, dass man jeden zweiten Tag von einer Redaktion 300 Euro kriegt!

Würde das denn in der Konsequenz nicht bedeuten, dass wir uns um den Lokaljournalismus der jetzigen Prägung Sorgen machen müssen? Wenn sich die wirtschaftliche Basis vor allem für freie Journalisten immer weiter verschlechtert, dann muss man doch kein großer Pessimist sein um zu sagen: Das Modell ist in spätestens zehn Jahren kollabiert.

Ich verstehe, dass viele Zeitungen so denken: Natürlich bleiben wir solange dabei und machen das so lange, wie wir die Kuh melken können. Wie die dann am Ende den Übergang hinkriegen, das weiß ich auch nicht.

 

Vielleicht verstopfen ja auch Lokalzeitungen einfach den Markt.

Auf der anderen Seite: Damit etwas kollabieren kann, müsste ja erst mal jemand kommen, der es besser macht. Der nicht nur guten Lokaljournalismus macht, sondern auch ein tragfähiges ökonomisches Modell dafür findet. Daran sind ja bisher so ungefähr alle gescheitert. Von sehr wenigen Ausnahmen mal abgesehen…

Genau, das ist auch eine Sache, über die ich mir viele Gedanken gemacht habe. Es gibt ja diese Horrorvision, dass Zeitungen aus Regionen verschwinden. In Amerika ist das Realität, in Deutschland ist das noch nicht der Fall. Aber die Frage bleibt: Was würde dann passieren? Aber mal angenommen, in einer Region wäre auf einmal gar keine Tageszeitung mehr vorhanden – dann eröffnet das vielleicht neue Chancen, auch wenn der Übergang natürlich schwer wäre.

Also wenn man es etwas überspitzt sagen wollte: Vielleicht verstopfen da auch viele Zeitungen den Markt. Hier in Münster beispielsweise. Da haben viele Menschen diese Zeitung aus Gewohnheit. Und die geben sich wirklich überhaupt keine Mühe. Vielen Menschen ist das einfach egal. Das ist so ein Stück Gewohnheit wie Zähneputzen. Da guckt man rein, steht nichts drin, dann legt man es zur Seite. Aber wenn man morgens keine Zahnbürste im Badezimmer hat, ist das ja auch blöd…

Kann es sein, dass Menschen, wenn es um Lokaljournalismus geht, ganz andere Maßstäbe oder vielleicht gar keine Maßstäbe anlegen als bei großen Zeitungen und Sendern? Dass man also beispielsweise eine Süddeutsche oder einen Spiegel oder eine FAZ viel eher abbestellen würde, wenn einem da was nicht passt?

Das ist eine Frage, die ich so richtig gar nicht beantworten kann. Aber bei Lokalzeitungen muss man diesen Trägheitsfaktor einfach mit einrechnen. Eine andere Erklärung als Ignoranz fällt mir nicht ein. Vielleicht ist es vielen zu aufwendig, die Zeitung abzubestellen. Und vielleicht fühlen sich ja auch viele über ihre Zeitung so ein bisschen verbunden mit ihrer Stadt. Das ist so ein Phänomen wie in vielen Firmen. Man arbeitet da, motzt ein bisschen rum, bleibt aber dann doch dabei. Möglicherweise ist es auch in der Lokalzeitung einfach so. Die gehört irgendwie dazu. Das ist so ein Gefühl von Zuhause und Heimat.

Ganz ketzerisch gefragt: Könnte es demnach sein, dass Menschen Lokaljournalismus gar nicht für voll nehmen und auch nicht als richtigen Journalismus betrachten? Und dass die Verlage einfach nur so weiter machen müssen wie bisher?

Kann man machen, aber auf Dauer verliert man die Leute dann doch. Die Konkurrenz ist ja so groß, man fällt ja gar nicht auf, wenn man dann die Lokalzeitung nicht mehr liest. Und man muss die Leute ja irgendwann erst einmal dazu bringen, so etwas überhaupt zu abonnieren.

Jetzt also haben wir eine Generation, die noch gut versorgt ist mit Tageszeitungen. Aber dann kommen die nach, die das alles gar nicht mehr interessiert. Schon gar nicht Tag für Tag. Ich will ja auch kein Abonnent sein. Weil ich gar nicht die Zeit habe, das jeden Tag zu lesen. Ich möchte die gerne morgens runterladen, beispielsweise wenn ich sie gerade gern haben möchte. Das ist alles.

Wobei Zeitungen ja auch ihr Gutes haben, beispielsweise die Idee, dass Inhalte dort halt einfach von einer Redaktion ausgewählt sind und man sich nicht andauernd in seiner eigenen Filterblase bewegt. Ich habe ohnehin den Eindruck, dass diese große digitale Euphorie inzwischen einer gewissen Skepsis gewichen ist. Kann das sein?

Diese Skepsis gibt es bestimmt. Aber ich glaube, dass wir etwas erleben, was auch schon länger absehbar ist. Nämlich, dass es eben nicht mehr wie früher nur noch ein Abo-Modell gibt.

Dass man vom Netz und seiner Filterblase genervt ist, naja, da liegt natürlich viel in der eigenen Verantwortung. Man kann beispielsweise Push-Benachrichtigungen ausstellen. Und man muss sich generell die Mühe machen, das alles so einzustellen, dass man nur die Sachen bekommt, die man auch wirklich haben möchte.

Mir erzählen auch Menschen, die jetzt gar nichts mit Medien zu tun haben: Ach Facebook, ich sehe da nur Mist. Und dann denke ich immer, dass Facebook aber gar nichts für diesen angeblichen Mist kann. Ich habe mir das mit viel Mühe so zusammengestellt, dass ich genau die Sachen finde, die ich gerne haben möchte. Und wenn ich Facebook aufmache, da finde ich auch selten Quatsch, den ich nicht lesen möchte, sondern eigentlich immer nützliche Sachen. Und wenn ich Quatsch finde, dann kann ich die Leute ausblenden.

Ich arbeite eigentlich nur mit Leuten zusammen, die ich nett finde. Das ist vielleicht eine Illusion, aber das klappt jetzt schon seit Jahren irgendwie.

Und das Interessante an der ganzen Geschichte ist ja: Du gehörst zu denjenigen Journalisten die es geschafft haben, so eine Art Social-Media Existenz aufzubauen. Ich glaube ja, dass ein beträchtlicher Teil der Reichweite und auch deiner Inhalte durch den gezielten guten Einsatz von Social Media erreicht hast. Vielleicht solltest du Social-Media-Berater für Redaktionen werden…

Ok, dann mache ich noch zwei Jahre Journalismus und dann werde ich Social-Media-Berater. Nein, ich habe im Moment noch Freude an meinem Job und hatte auch nie irgendeine Social-Media-Strategie. Ich habe nur Grundregeln, bei denen ich mir denke, an die sollte ich mich halten. Zum Beispiel: Ich arbeite eigentlich nur mit Leuten zusammen, die ich nett finde. Das ist vielleicht eine Illusion, aber das klappt jetzt schon seit Jahren irgendwie.

Bei Networking-Veranstaltungen dagegen denke ich mir immer: Wenn man sich nicht nett findet und nicht irgendwie ein Bier miteinander trinken kann, dann wird man sich auch nicht empfehlen und dann wird man auch keinen Spaß haben bei einer Zusammenarbeit.

Um Lemmy Kilmister zu zitieren: Halte dich fern von Idioten…

Ja, und Udo Lindenberg sagt, man soll sich von Spießern fernhalten. Irgendwas muss dran sein, aber mit einfachen Regeln alleine klappt das alles natürlich noch nicht.

Was man braucht, ist vor allem Vertrauen zu Leuten. Dieses Vertrauen erleichtert das Arbeiten enorm und deswegen ist das auch für mich ein ganz guter Weg.

Wenn dich jemand nach deiner Berufsbezeichnung fragt, was sagst du dann eigentlich?

Meistens sage ich Journalist, weil da am wenigsten nachfragen.

Aber du machst ja noch einiges mehr, schreibst Bücher und…machst du eigentlich nur Sachen, die Spaß machen?

Nein, natürlich mache ich nicht nur die Sachen, die mir Spaß machen. Ich möchte auch Geld verdienen. Wenn ich nur als Journalist arbeiten würde, müsste ich auf ein paar Sachen verzichten. Urlaub oder so. Deswegen kann ich nicht nur vom Journalismus leben. Und das mit den Büchern ist so: Wenn man eine gute Idee hat oder mal ein Buch schreibt, dann lässt sich mit Unterhaltungs-Büchern auch Geld verdienen. Aber eben nur zeitweise und ohne Garantie.

Aber ich arbeite ja dann auch als Texter beispielsweise. Was ich nicht so gerne mache, sind PR-Sachen. Ich gucke dann, wenn mich das irgendwie interessiert und ich mich nicht verbiegen muss, dann mache ich das.

Wenn mir jemand erklären kann, wie das ohne solche Sachen wie PR und Auftrags-Texte geht, dann bin ich gerne bereit, mich auf die Diskussion einzulassen.

Womit wir bei der großen Grundsatzfrage angekommen sind: Darf ein Journalist PR machen?

Wenn mir jemand erklären kann, wie das ohne solche Sachen wie PR und Auftrags-Texte geht, dann bin ich gerne bereit, mich auf die Diskussion einzulassen. Aber davon abgesehen: Ich bin da ganz transparent. Wenn ich für jemanden arbeite, dann sage ich dem auch, für wen ich sonst noch arbeite. Wenn ich für Redaktionen arbeite, achte ich natürlich darauf, dass es da keine Konflikte gibt. Vor allem weil man als Medien-Journalist kritische Sachen schreibt und anderen auf die Finger schaut, dann sollten man zusehen, dass man selber sauber bleibt. Natürlich.

Aber um ganz ehrlich zu sein: Wenn ich nur als Journalist arbeiten würde, dann würde ich manchmal tausend Euro im Monat verdienen. Das ist wirklich etwas, was ich immer wieder erschütternd finde.

Dann kommt man aber doch wieder bei Grundsatzfrage an: Wie soll denn jemals ein Journalismus funktionieren, wenn die Leute, die ihn machen, nicht die wirtschaftliche Grundlage dafür haben? Das ist doch absurd.

Es ist wirklich absurd. Neulich beispielsweise habe ich für eine Redaktion gearbeitet. Da habe ich natürlich auch am Anfang mit denen darüber gesprochen, für wen ich sonst noch so arbeite. Es ging um Wirtschaft im Wirtschaftsteil. Und die haben dann auch gleich am Anfang gesagt, es ist uns klar, dass du noch irgendwas nebenbei machst, um dein Leben zu finanzieren. Wir wollen nur wissen, für wen du arbeitest. Es ist also quasi schon eingepreist, dass Journalisten sowas machen. Und solange das so geht, funktioniert das ja auch.

Ich könnte auch sagen: Ich mache keinen Journalismus mehr, weil ich nur noch für meinen Lebensunterhalt sorgen möchte. Aber ich habe mir jetzt halt so ein Modell zusammengestellt, von dem ich auch leben kann. Aber wo der Journalismus eben nur ein Teil davon ist.

Journalisten sind aber manchmal auch ganz schön idealistisch und zudem schlecht im Verhandeln, oder?

Ja, natürlich. Ich denke das auch oft: Das ist echt mieser Preis! Aber andererseits kann ich doch nur sauer auf mich selber sein, weil ich das ja selbst verhandelt habe.

Sascha Lobo hat mal gesagt, er arbeite entweder für sehr viel Geld und für nix. Ganz so radikal bin ich nicht. Ich arbeite für ordentliche Honorare und im Journalismus meistens für schlechte und auch für Honorare, wo ich denke, das ist jetzt halt für eine gute Sache. Wenn ich zum Beispiel für Bildblog arbeite, dann ist das eben auch eine gute Sache.

Großes Verständnis habe ich nicht für Kollegen, die jammern und sagen: Ich habe ja nichts anderes gelernt! Am Ende geht’s ums Geld verdienen und das müssen auch Journalisten sich selber eingestehen und es geht nicht darum, immer nur die Erfüllung im Job zu finden.

Man muss sich auch mal klarmachen, dass das, was man da macht, viel Geld wert ist. Wenn ich jetzt zum Beispiel einer meiner Freunde als Beispiel nehme, der arbeitet als Werbetexter. Da sind ganz andere Tagessätze und Honorare üblich. Das fängt bei 600 Euro am Tag an und das geht dann hoch bis 1000 Euro oder so. Das ist natürlich eine andere Branche. Aber es könnte ja theoretisch vorkommen, dass man beispielsweise einen Text schreibt, den an einer Lokalredaktion liefert – und den gleichen Text oder in ähnlicher Form noch für ein Corporate-Publishing-Produkt. Da würde man bei der Lokalredaktion möglicherweise 40 Euro dafür kriegen und beim Corporate Publisher 1000.

Ich bin aber immer dankbar dafür, wenn man mir geholfen hat und offen war und die Kollegen mir Tipps gegeben haben. Deswegen rede ich auch ganz gerne immer offen über Geld.

Ich habe den Eindruck, viele Journalisten schämen sich fast, Forderungen zu stellen oder über Geld zu reden. Aber wenn ich dann sehe, wie viele Medienunternehmen immer noch ganz stolz sind auf ihre sehr ordentlichen Renditen, dann kann man als Journalist angemessene Forderungen stellen. Also, Brust raus und sich nicht unter Wert verkaufen, oder?

Ich habe da bei einigen Redaktionen resigniert. Da denke ich einfach: Ich mache das nicht. Wenn ich das mache, dann feilsche ich nachher wieder um hundert Euro und dann fühle ich mich schlecht. Dann sehe ich lieber zu, dass ich für Medien arbeite, die irgendwie sichtbar sind und versuche dann damit auch andere Aufträge zu kriegen. Es ist einfach hoffnungslos bei bestimmten Medien, sich über die schlechten Honorare zu ärgern. Man kann das machen oder man kann das nicht machen. Aber man sollte jetzt nicht damit rechnen, dass man damit gutes Geld verdient.

(Hinweis: Das Gespräch wurde aus Gründen der Lesbarkeit redigiert und gekürzt. Das vollständige Gespräch gibt es im Soundcloud-Player oben. Der Universalcast kann u.a. bei iTunes abonniert werden.)

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