Digitales Leben, Medienwandel 12. Oktober 2017

Onlinestudie 2017: Journalisten und die Digitalblase

by Christian Jakubetz

Ab und an muss man den eigenen Blick auf die digitale Welt einfach etwas korrigieren. Man muss sich darüber klar werden, was Trend, was Hype und was breite Realität ist. Die neueste ARD-ZDF-Onlinestudie ist bei diesem Thema ein ziemlich guter Kompass. Weil sie zeigt, wie groß am Ende die Lücke zwischen den vermeintlichen so wichtigen Themen und Formaten und dem Mainstream ist. Immer noch.

Sicher ist: Vieles von dem, was unter Digital-Journalisten als enorm wichtig vorausgesetzt wird, ist für das Mainstream-Publikum noch sehr, sehr weit entfernt. Natürlich lässt sich prima darüber streiten, ob diese Nischen nicht doch mal Massenmärkte werden. Bei dem einen oder anderen gibt es gute Gründe, das zu glauben. Bei anderen: eher nicht. Darunter sind übrigens auch solche Dinge wie Twitter oder Audio-Podcasts.

Gleichzeitig zeigen die Zahlen aber auch anderes. Nämlich, dass die Medien-Nutzung weiter fragmentiert. Dass man womöglich zunehmend mehr Nischen bedienen muss, um am Ende doch wieder zu einer ordentlichen Reichweite zu kommen. Und dass es allmählich unmöglich wird, die eine, allgemeingültige Standard-Mediennutzung zu definieren. Der Nutzer von heute ist vor allem eines: sehr, sehr individuell. Deshalb sei vor einem Trugschluss schon mal gewarnt: Wir brauchen den ganzen Kram ja doch nicht. Doch, braucht man.

Trotzdem ein paar Zahlen aus der Onlinestudie, die die Relationen klarmachen. Twitter beispielsweise gilt unter Digital-Journalisten als gesetzt. Dagegen die nackten Zahlen: Gerade mal drei (!) Prozent nutzen Twitter halbwegs regelmäßig. Die Zahl der täglichen Nutzer ist bei nur noch zwei Prozent.

Twitter also zeigt die ganze Problematik der aktuellen Entwicklung: Man muss nicht unbedingt Massen erreichen, um dennoch relevant zu sein. Weil unbestritten ist, dass man bei Twitter vor allem die richtigen Leute erwischen kann, zumindest in manchen Fällen. Und nachdem die Nutzerzahlen bei Twitter schon geraume Zeit de facto stagnieren, kann man tatsächlich bezweifeln, ob sich daran noch sehr viel ändern wird.

Snapchat: Auch nur ein Hype?

Ähnlich ist die Lage beim eine Zeitlang mal so dauergehypten Snapchat: 6 Prozent der deutschen Onliner nutzen die App halbwegs regelmäßig, nur 4 Prozent täglich. Nun lässt sich auch hier prima darüber debattieren, ob 6 Prozent für eine immer noch relativ neue App nicht schon eine ganze Menge sind, zumal hier die Wachstumszahlen im Gegensatz zu Twitter noch nicht eingeschlafen sind. Auf der anderen Seite wird Snapchat bevorzugt ja von einem sehr jungen Publikum genutzt, das gerne nach einer Zeit zum nächsten Hype weiterzieht. Braucht man also Snapchat, wenn man nicht gerade ein sehr junges Publikum ansprechen will? Vermutlich eher nein.

Zwei Beispiele, die zeigen, wie die Digitale Medienwelt im Jahr 2017 tickt. Man braucht eine sehr klare Idee, eine Strategie. Und man sollte so halbwegs wissen, für wen man was auf welchem Kanal macht. Deshalb lässt sich anhand der nackten Zahlen die Frage danach, ob sich Snapchat oder Twitter lohnen, auch nicht wirklich beantworten. Das geht nur, wenn man weiß, wen man erreichen will. Und mit welchen Inhalten.

Diese Beispiele zeigen allerdings auch anderes: Man kann sich als digitaler Medienschaffender schnell mal zu der irrigen Ansicht versteigen, dass die eigene Mediennutzung und der Mainstream halbwegs kompatibel seien. Tatsächlich sind Twitter, Snapchat und einige andere Spielereien weit vom Mainstream entfernt.

Dazu gehören auch Audio-Podcasts. Speziell dieses Beispiel ist interessant. Weil es seit rund zwei Jahren heißt, sie würden gerade die große Renaissance feiern. Das mag in der digitalen Szene so sein, die nackten Zahlen der Onlinestudie geben eine solche Auffassung keineswegs her. Sowohl 2016 als auch 2017 lag die Zahl der Podcast-Nutzer bei vier Prozent. Kein Massenmarkt, keine sichtbare Steigerung der Nutzerzahlen, einfach nur eine hübsche Nische, die natürlich nicht zu vernachlässigen ist.

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