User wollen im Netz alles umsonst? Unsinn, sagt eine neue Studie aus den USA. Sie geben genauso viel Geld aus wie in analogen Zeiten. Mit dem Unterschied, dass sie sich jetzt genauer überlegen, für wen und was sie bezahlen. Die Studie sagt nicht nur eine Menge aus über das Verhältnis, das Menschen zum Thema „Bezahlen für Content“ haben. Sondern auch darüber, wie ein Geschäftsmodell für Journalismus und der Journalismus ganz allgemein aussehen wird.
Das American Press Institute hat geforscht. Warum bezahlen Menschen für (im weitesten Sinne) News? Und wenn nicht, was müsste passieren, dass sie zu zahlenden Kunden werden. Herausgekommen sind interessante Erkenntnisse. Beispielsweise, dass General Interest zwar möglicherweise gerne gelesen wird. Als Inhalt, für den man bezahlt, wird das aber nicht gesehen.
Klar ist nach dieser Studie aber auch: Diese Erkenntnisse wirken sich nicht nur auf das Geschäftsmodell aus. Sondern auch darauf, wie sich Journalismus inhaltlich aufstellen muss, wenn er ökonomisch erfolgreich sein will.
1. User zahlen für journalistische Kompetenz
Wichtigste Erkenntnis der Studie: User zahlen nicht einfach für den Zugang zu Seiten oder anderen Inhalten. Sie machen es stattdessen von den Inhalten und Themen abhängig. Das klingt auf den ersten Blick ziemlich banal, ist aber bei genauerem Hinschauen ein Paradigmenwechsel. Weil das umgekehrt bedeutet, dass die Bereitschaft, für eine Art generellen News-Stream zu bezahlen, ziemlich weit unten ist.
In Zahlen: 53 Prozent der US-Amerikaner bezahlen im weitesten Sinne für News; dazu gehören auch Abos von Print-Objekten, die News beinhalten (hauptsächlich also Tageszeitungen; dafür aber keine Abos von Kabel-TV, in dem auch Newssender enthalten sind). Das bedeutet also, dass diesen 53 Prozent nicht reine Online-Kunden sind. Trotzdem ist dieser Wert relevant, weil er darüber Auskunft gibt, wofür Menschen bezahlen. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Fast die Hälfte der Amerikaner sieht Nachrichten im weitesten Sinne als etwas an, wofür man nicht bezahlen muss. Vermutlich hauptsächlich deshalb, weil es sie inzwischen an enorm vielen Orten als kostenloses Angebot gibt. Solche sogenannten „News Seeker“ surfen querbeet, gerne auch in sozialen Netzwerken und durchaus auch auf bevorzugte Stammseiten. Denen aber eines gemein ist: Sie müssen kostenlos sein.
Umgekehrt bedeutet das: Diejenigen, die für journalistischen Inhalt bezahlen, tun das sehr selektiv. Für sie sind die Themen und dien journalistische Kompetenz eines Mediums ausschlaggebend. Mit der Idee eines generalisierten News-Streams können sie nicht sehr viel anfangen, zumindest dann nicht, wenn sie dafür bezahlen sollen. In dieser Hinsicht sind sie sich mit den „News Seekern“ also ziemlich einig.
In der Konsequenz heißt das aber auch, dass das Publikum für „General Interest“ immer kleiner wird. Zumindest dann, wenn es dafür unmittelbar bezahlen soll. Auch das ist zwar keine ganz neue Erkenntnis. Aber in der Schnelligkeit und Eindeutigkeit, wie sie sich aus den Zahlen herauslesen lassen, ist das schon überraschend. Sehr fraglich wird dadurch auch, ob die grundsätzliche Idee einer Tageszeitung in den nächsten Jahren überhaupt noch funktioniert. Dabei ist nicht mal mehr die Frage, ob es denn jetzt gedruckt oder doch lieber digital ist. „Spiegel Daily“ beispielsweise ist ja kaum etwas anderes als die Idee einer ausschließlich digital veröffentlichten Tageszeitung. Bisher halten sich die Erfolgsmeldungen aus Hamburg zu diesem Thema übrigens auffällig zurück. Zudem sind auch gerade mal rund 2500 Likes für die Spiegel Daily-Seite bei Facebook kein Ausweis für eine überbordende Resonanz.
2. Die Marke macht´s, das Papier nicht unbedingt
Eine der ältesten Erkenntnisse des digitalen Zeitalters bestätigt sich auch im Jahr 2017 noch: Eine komplett neue Medienmarke im Netz zu etablieren ist schwierig; etablierte Marken aus der analogen Welt haben immer noch zumindest einen Startvorspung. Auffällig bei den Zahlen aus den USA: Über die Hälfte der zahlenden Kundschaft bezahlt für ein Zeitungs-Angebot, wobei die Statistik keinen Unterschied zwischen digital und analog machen. Umgekehrt hat aber über die Hälfte derer, die ausschließlich digitale Zeitungsangebote abonnieren, noch nie für ein gedrucktes Angebot der jeweiligen Zeitung bezahlt.
Woraus sich zwei Dinge schließen lassen. Zum einen: Es gibt die durchaus berechtigte Hoffnung für Verlage, auch im digitalen Zeitalter zahlende Kunden zu gewinnen. Zum anderen aber: Das Medium Print wird zu diesen Zuwächsen bzw. Neukunden nur noch marginal beitragen. Was in der Konsequenz auch bedeutet, dass sich Verlage dringend und schnell auf das Digital-Geschäft konzentrieren müssen, weil die Print-Potentiale endgültig ausgereizt sind.
3. Medien werden mehr zu Communitys – und dürfen auch Haltung haben
„Support our mission“, wirbt die New York Times seit neuestem auf ihrer Website um zahlende Kunden. Ein Claim, der noch vor Jahresfrist als beinahe unanständig gegolten hätte: Eine Zeitung, die eine Mission hat? Sollten Zeitungen und Journalisten nicht ständig neutral informieren und keineswegs irgendjemand missionieren?
Doch die Zeiten haben sich geändert: In den Tagen der „Filter Bubbles“ spielen die Themen Haltung und Comunity auch außerhalb der sozialen Netze eine immer größere Rolle an. So ist in den USA beispielsweise inzwischen die Tatsache, dass auch Freunde und Familie ein Medium nutzen, bereits zum zweitwichtigsten Grund für ein Abo geworden. Speziell in der jüngeren Zielgruppe geben zudem mittlerweile an, für sie sei es wichtig, mit ihrem Abo ein Medium zu unterstützen. „Support our Mission“ könnte also möglicherweise ein Satz sein, den man künftig öfter hört.
Zugegeben, in den politisch-gesellschaftlich tief gespaltenen USA hat das Thema Mission eine andere Bedeutung. Weil sich beispielsweise Blätter wie die Times durchaus als journalistischer Gegenpol zur Trump-Administration begreifen und das auch zur Mission erklären. Soweit ist es in Deutschland nicht.
4. Und Social Media macht eben doch Kunden…
Die Meldung hat in dieser Woche für Aufsehen in Medien-Deutschland gesorgt: WeltN24 hat sich von den „Instant Articles“ bei Facebook wieder verabschiedet. Simpler Grund: Es kam dann doch nicht so viel Geld dabei raus, wie man sich das bei Springer gewünscht hatte. Haben wir es doch gewusst, dass das nicht funktioniert, sagen die Social-Media-Skeptiker.
Allerdings: Beim jüngeren Publikum in den USA (18-35) nutzen zwei Drittel neben den klassischen Medien auch täglich (!) Facebook. Und „viele“ (präziser sagt es die Studie leider nicht) haben sich bei ihrer Entscheidung, ein Medium zu abonnieren, davon leiten lassen, dass ihnen dieses Medium zuvor bei Facebook positiv aufgefallen sei.
Es ist also Unfug zu glauben, jüngere User wollten generell alles umsonst und seien nur noch über soziale Netzwerke zu erreichen. Die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft hat sich nicht geändert. Wohl aber sind die Kriterien heute andere; siehe dazu auch: Haltung. Und: Interaktion. Für dieses Publikum sind der ständige Dialog und das Gefühl, von den Medienmachern ernst genommen zu werden, mindestens genauso wichtig wie die Inhalte.
5. Neues Geschäftsmodell: Qualität ist wichtiger als billig zu sein
Ein entscheidender Punkt beim Thema „Zahlungsbereitschaft“: Qualität. Zugegeben, das ist natürlich ein sehr dehnbarer Begriff, unter dem im Zweifelsfall jeder etwas anderes versteht. Trotzdem: Wer Geld für Medien ausgibt, der tut dies nicht, weil er ein Sparfuchs ist und möglichst günstig an ein Angebot kommen will. Macht ja auch wenig Sinn, weil kostenlos eben immer noch billiger ist als billig. Soll bedeuten: Für hochwertigen Journalismus geben User offenbar auch gerne etwas mehr aus. Oder eben gar nichts. Ein Zwischendrin – nämlich „billig“ – gibt es deutlich nicht mehr. Ein Geschäftsmodell Qualität klingt also plötzlich gar nicht mehr so abwegig.