Die Technik ist da, die Hardware auch – jetzt ist die Frage: Wie erzählt man eigentlich Geschichten in 360 Grad? Und wie bekommt man es hin, dass aus 360 Grad echtes Storytelling wird und es nicht nur ein bloßes Gimmick bleibt?

Fast jeder hat das vermutlich schon mal gesehen: Ein kurzes Video, ein Foto, irgendwo aufgestellt in einer schönen Landschaft oder einem atemberaubenden Gebäude. Dort kann man sich dann umschauen – ja, und dann? Eine Geschichte ist damit noch nicht erzählt.
Die Dinge ändern sich allerdings gerade. Zunehmend mehr Journalisten nutzen das Format 360 Grad dazu, „richtige“ Storys zu erzählen, echten Journalismus zu betreiben. Ein Überblick über die wichtigsten inhaltlichen Entwicklungen, die größten Anbieter und natürlich über die nötige Hardware…
Storytelling: Es muss nicht immer nur Video sein
Die Debatte gibt es, seit es 360-Grad-Technologie gibt: Wie kann man denn in diesem Format eine richtige Geschichte erzählen? Also, so wie wir es bisher gewohnt sind? So, wie wir bislang den Begriff „Geschichte“ definieren? Und wie bekommt man es hin, mit einer solchen Kamera mehr zu machen als sie einfach nur in der Mitte einer Szene aufzustellen und einen Rundumblick zu gewähren?
Naturgemäß sind diese Fragen noch nicht alle beantwortet. Wie auch, wenn es das Thema in einem etwas größeren Rahmen erst seit gut einem Jahr gibt? Ein paar Dinge lassen sich aber schon jetzt absehen. Beispielsweise, dass man durchaus mit ein paar jener Elemente arbeiten kann, die man bisher auch verwendet hat. Off-Texte beispielsweise, O-Töne, Protagonisten. Natürlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass man als Produzent eines solchen Videos ja nie weiß, welches Bild der User gerade vor sich hat; wo er sich im wahrsten Sinne des Wortes gerade befindet. Aber das kann man ja beim Texten berücksichtigen. Und zum anderen gibt es ja auch optische Hilfsmittel wie beispielsweise Texteinblendungen, die nur an bestimmten Positionen des Videos zu sehen sind.
Ein gutes Beispiel für ein 360-Grad-Video mit Protagonisten und O-Tönen: Eine Reporterin aus den USA besucht den Todestrakt des US-Staatsgefängnisses San Quentin in Kalifornien. Obwohl sie klassisch als Reporterin im On zu sehen ist, lässt sich das Video trotzdem auch dann ohne Verständnisverlust schauen, während man sich anderswo umsieht. Die Reporterin und auch ihr Interview-Partner werden dann eben zu Off-Tönen. Was ja auch nicht weiter schlimm ist. Ist es für das Verständnis eines Beitrags unbedingt notwendig, dass man einen Reporter im On sieht?
Dabei lassen sich 360 Grad-Videos aber auch gut in Longread-Formate einbauen. Wer ein langes Textstück schreibt, kann mit kurzen Sequenzen User jederzeit mitnehmen an den Ort des Geschehens. Eine Variante, die man in den letzten Monaten immer wieder mal gesehen hat.
SZ, ZDF, BR, New York Times: Wer macht was in 360 Grad?
Naturgemäß sind es aktuell vor allem die größeren Unternehmen, die umfangreich mit den Möglichkeiten dieser neuen Technologie experimentieren. International wie so oft ganz vorbei dabei: die New York Times. Sie hat inzwischen eine Serie „Daily 360“ ins Leben gerufen und setzt dabei auch beim Thema Storytelling Maßstäbe. Sie lässt gezielt Protagonisten auftreten, arbeitet mit O-Tönen, Off-Texten und vielen anderen Stilmitteln, die man auch bisher schon kannte. Ein gelungenes Beispiel von vielen:
Beim Bayerischen Rundfunk laufen ebenfalls die ersten 360-Grad-Produktionen. In der BR24-App gibt es für sie sogar eine eigene Rubrik. Wie man mit 360-Grad-Videos arbeiten kann und welche infrastrukturellen Vorraussetzungen dafür gerade geschaffen werden müssen, erklären Salvan Joachim und Matthias Leitner in diesem Video:
Auch beim ZDF spielt das Thema 360 Grad inzwischen eine herausgehobene Rolle. Ebenfalls auf einer eigenen Seite integriert, gibt es dort in vielen sehr schönen Beispielen zu sehen, welche Möglichkeiten 360-Grad-Geschichten heute schon bieten.
Hardware: Von günstig bis High-End
Es ist inzwischen wie bei vielen anderen neuen Geräte auch: Am Anfang teuer und nur für wirkliche Fans interessant, erobern 360 Grad-Kameras inzwischen den Massenmarkt. Kameras gibt es bereits zu Preisen ab ca. 400 Euro. Man muss sich bei Kameras in dieser Preisklasse allerdings darüber im Klaren sein, dass man nicht gerade High-End-Aufnahmen erwarten darf. Interessant: Das ZDF zeigt in diesem Video, wie 360 Grad funktioniert und stellt auch drei kompakte Kameras vor (einschl. Vergleich in Bildern, wie unterschiedlich die Kameras ein und die selbe Szene aufnehmen). Allerdings stammt der Beitrag vom Sommer, inzwischen sind auch wieder neuere Modelle auf den Markt gekommen.
Ein Überblick über die momentan wichtigsten Geräte, ihre Fähigkeiten und ihre Preise: hier.
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