Medienwandel 1. Mai 2012

Der Blick in den „Spiegel“ – nur noch gegen Geld?

by Christian Jakubetz

Ein Grundsatzstreit, der für die ganze Branche spannend wird: Beim „Spiegel“ wird gerade nach übereinstimmenden Medienberichten darüber debattiert, ob das kostenlose Angebot dem Verkauf des Heftes schadet.

Bald nur noch gegen Geld? Der "Spiegel" macht sich Gedanken, der Rest der Branche beobachtet interessiert.

Es gibt zumindest Zahlen, die diesen Schluss theoretisch nahelegen könnten. Die Auflage der gedruckten Ausgabe ist im letzten Jahr zurückgegangen, während die Zahlen bei SPON steigen. Eine erste Konsequenz hat der Verlag daraus bereits gezogen: Die Zahl der Artikel aus dem Heft, die auch online erscheinen, werden auf Null gefahren, auch der Zugang auf die archivierten Heftgeschichten ist nicht mehr nach zwei, sondern erst nach vier Wochen möglich. Trotzdem blieb nach langen Debatten hausintern wohl die Frage: Wie halten wir das künftig mit einer Bezahlschranke?

Die Frage stellt sich in der Tat — schon lange und auch immer wieder. Tatsache ist: In Deutschland gibt es momentan keine Nachrichtenseite, die flächendeckend auf Bezahlinhalte setzt. Zu groß sind die Bedenken, auf einen Schlag eine große Zahl von Lesern zu verlieren. Zudem:  Durchsetzbar wäre paid content für Nachrichtenseiten wohl nur dann, wenn es keine kostenlosen Alternativen mehr gäbe. Das aber steht kaum zu erwarten, schließlich müssten sich dann Verlage, Radiosender, privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Das wäre alleine schon deswegen kaum möglich, weil beispielsweise ARD und ZDF für ihre Seiten kein Geld verlangen dürften.

Abomodelle und Tagespässe: Um die Inhalte einer Webseite vollständig nutzen zu können, benötigt der User ein Abo bzw. einen Tagespass.  Die Abos beginnen meistens bei Monatszugängen und können bis für zwei Jahre gebucht werden. Ungewöhnlicher sind beispielsweise Wochenpässe.

Metered pay wall: Eine Art Mehrstufen-System, bei dem der Nutzer eine bestimmte Zahl von Artikeln kostenlos lesen kann. Erst nach Erreichen dieser Limits wird er zur Kasse gebeten bzw. kann er nur noch weiterlesen, wenn er dafür bezahlt.

Pay per use/click:  Einzelne Artikel auf der Webseite kosten Geld und können erst gelesen werden, wenn man speziell dafür bezahlt hat. Unterschiedlich ist, ob der Artikel dann quasi dem Nutzer dauerhaft oder nur für beschränkte Zeit zur Verfügung steht. Beim „Straubinger Tagblatt“ beispielsweise kann man dann auch solche bezahlten Artikel nur für 24 Stunden nutzen.

Umgekehrt verweisen Befürworter eines Bezahlmodells gerne auf die „New York Times“, die nach einem ersten vorzeitig beendeten Versuch inzwischen mit der Idee einer sogenannten metered pay wall den bezahlten Inhalt etabliert hat. Das Modell sieht seit April nur noch eine Zahl von 10 kostenlosen Artikeln vor, die man lesen kann, eher zur Kasse gebeten wird. Auch das ist ein Indiz dafür, dass das Modell funktioniert. Bisher waren es nämlich 20 kostenlose Beiträge gewesen. Und zumindest spricht das Modell der metered pay wall auch dafür, dass es sich vermutlich niemand leisten kann, sein  Angebot generell kostenpflichtig zu machen und einen Zugang auf die Seite nur für Abonnenten zu gestatten. Auch die Modelle in Deutschland, bei denen Verlage Teile der Inhalte kostenpflichtig gemacht haben, gestatten einen generell kostenlosen Zugang, ehe dann bei bestimmten Inhalten die ominöse Bezahlschranke heruntergelassen wird.

Unter den großen Nachrichtenseiten in Deutschland wäre der „Spiegel“ also die erste, die weite Teile nur noch gegen Geld zur Verfügung stellen wird. Der Rest der Brache würde dieses Experiment — sofern es denn kommt — sicher mit großer Spannung verfolgen.

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