Digitales Leben 27. März 2012

Zeitungszukunft: Vom Verlag zum Gemischtwarenhändler?

by Christian Jakubetz

Unersetzlich und auf dem Weg in einen gewollten digitalen Wandel? Oder ein Auslaufmodell, getrieben von der digitalen Revolution? Kaum etwas ist in der Medienbranche so umstritten wie die künftige Entwicklung von Tageszeitungen. Um aktuelle Trends und künftige Entwicklungen geht es hier in einer kleinen, zweiteiligen Serie. Erster Teil: Wie sich Zeitungen künftig finanzieren wollen — und warum das bisherige Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren wird.

Was bleibt von der Zeitung? Eine neue Studie beschäftigt sich umfangreich mit der möglichen Zukunft der Verlage.

Zuletzt war es der Eichstätter Medienprofessor Klaus Meier, der für Aufsehen sorgte: In einer Excel-Tabelle rechnete er aus, dass zumindest theoretisch 2034 die letzte gedruckte Tageszeitung in Deutschland erscheinen wird. Solche Berechnungen erscheinen weltweit regelmäßig — und lösen naturgemäß heftige Debatten aus. Die einen verweisen auf die seit vielen Jahren sinkenden Auflagen, die anderen darauf, dass hochwertiger Qualitätsjournalismus gerade in den Zeiten des expandierenden Netzes mehr gebraucht werde denn je.

Natürlich sind Zeitungen nicht irgendein Produkt, nicht vergleichbar mit einer Wurstfabrik oder irgendjemand anderem, der Konsumgegenstände herstellt. Trotzdem: Auch die Tageszeitung ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Geld verdienen muss, um erscheinen zu können. Ausgerechnet das wird ihr aber immer schwerer gemacht. Es sind also keineswegs nur die seit Jahren sinkenden Auflagenzahlen, die ihr zu schaffen machen. Stattdessen hat sich durch die Digitalisierung vor allem der Werbemarkt so verändert, dass die Margen im digitalen Geschäft deutlich geringer sind als bei der gedruckten Zeitung. Da nutzt es auch nicht allzu viel, dass die Tageszeitungen laut einer im Auftrag des BDZV erschienenen Studie auf die höchste Reichweite verweisen können, die jemals gemessen wurde. Demnach lesen 73 Prozent der über 14jährigen regelmäßig Tageszeitung, zudem nutzen 52 Prozent der Online regelmäßig Webseiten der Zeitungen.

Indes: Die „doppelte Absicherung“, die Zeitungen bisher für sich in Anspruch nehmen konnten, bricht weg. Im Netz gibt es de facto keine Vertriebserlöse,  die Finanzierung funktioniert also nur über Werbung. Was dringend gefördert muss, schließlich ist der Anteil der Vertriebserlöse mit 54 Prozent bei den regionalen Tageszeitungen inzwischen an einem historischen Höchststand angekommen. Das genau ist allerdings der Haken, wie die Autoren der Studie feststellen: “ Bisher verdienen nur wenige Verlage mit ihren Webangeboten wirklich Geld.“ Ausnahmen seien lediglich die Branchengrößen wie beispielsweise der Springer-Verlag oder auf internationaler Ebene die New York Times. Dafür gibt es laut Studie eine ganze Reihe von Gründen:

  • Werbung wird auf den Verlagswebseiten im Vergleich zu den gedruckten Zeitungen auf einem vergleichsweise geringen Niveau geschaltet.
  • Im Netz existiert ein Überangebot an Werbeplätzen. Das drückt Preise und Margen.
  • Das Geld folgt den Nutzern — und an solchen haben Giganten wie Google oder Facebook deutlich mehr aufzuweisen. Laut Studie zieht Facebook inzwischen jeden vierten Banner im deutschsprachigen Netz auf sich. Google hat demnach im vergangenen Jahr rund zwei Milliarden mit Erwerbung umgesetzt, die durch die OMG vermarkteten Zeitungen schafften es gemeinsam dagegen nur auf rund 200 Millionen.

Dabei gibt es Teilbereiche, an die die Zeitungen ohnedies kaum herankommen werden. Google beispielsweise verdient einen ganz beträchtlichen Teil seines Geldes mit kleinen, von den Usern selbst gestalteten Anzeigen (AdWords). Diese Anzeigen erscheinen nur in einem bestimmten, vom User definierten Kontext und häufig zu sehr kleinen Budgets. Hier ist es die Masse, die das Geld in die Kasse spült. Zeitungen verfügen bisher häufig weder über eine Infrastruktur, die dieses Geschäft möglich machen würde, noch über die exorbitanten Nutzerzahlen, die für ein solches Massengeschäft nötig sind.

Auf der anderen Seite ist der gute,alte Banner zu einem Auslaufmodell geworden. Wie sehr die Urform der Onlinewerbung inzwischen an Bedeutung verloren hat, zeigt sich an einer Zahl: Noch 1997 klickte statistisch gesehen jeder 20. User auf einen Banner. Nur 15 Jahre später ist es gerade mal jeder tausendste User, der sich noch von einem Banner zu einem Klick verleiten lässt. Oder andersrum: Für 62 Prozent der Klicks auf Banner sind gerade mal drei Prozent der gesamten Userschaft verantwortlich.

Ist demnach auch das Online-Werbegeschäft für Zeitungen verloren? Nein, glauben die Autoren der Studie. Zeitungen haben demnach eine andere Stärke: Sie können Werbung in einem seriösen, journalistisch hochwertigen Umfeld anbieten. Das sei nicht zu unterschätzen, denn: „Kein Markenartikler möchte seine Anzeigen neben anstößigem Content sehen oder sich der Lächerlichkeit preisgeben.“

Die neuen Trends: mobil und personalisiert

Klar also ist: Die Bannerwerbung ist ein Modell von gestern, stattdessen sollten sich Zeitungen nach Auffassung der Studien-Autoren vor allem schon jetzt auf die zukünftigen Trends einstellen und entsprechende Angebote entwickeln. Trend Nummer eins ist demnach das mobile Netz. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BDW) erwartet beim mobile advertising ein Wachstum von 40 Prozent, die Marktforscher von Gartner gehen davon aus, dass der Anteil der mobilen Werbung in den kommenden Jahren von bisher 0,5 Prozent auf 4 Prozent ansteigen wird. Nach einer Studie der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG) verfügt jeder zweite Verlag in Deutschland über eine mobile Version seiner Webseite. Ob man nun schreibt, „bereits“ jeder zweite Verlag — oder: „nur“ jeder zweite Verlag, bleibt vermutlich der ganz persönlichen Auffassung überlassen.

Trend Nummer zwei: das sogenannte Targeting. Konkret: Werbekunden zahlen nicht mehr für Anzeigeneinblendungen in Umfeldern, sondern adressieren ihre Zielgruppen direkt. Inzwischen basieren nach Schätzungen von Experten bereits rund zehn Prozent aller Display-Kampagnen auf Targeting. Zwingende Voraussetzung dafür sind allerdings Daten, je mehr und je besser strukturiert, umso besser. Zu den großen Aufgaben in Verlagen dürfte es deshalb auch gehören, sich des eigenen Datenbestands intensiv anzunehmen. Anders kann funktionierendes Targeting nicht aufgebaut werden.

Naturgemäß sehr umstritten ist dagegen ein anderes Thema: Bezahlschranken im Netz, auf neudeutsch als „paid content“ bekannt. Nach Erhebungen des BDZV wollen die deutschen Zeitungsverlage mittelfristig 30 Prozent ihrer Erlöse aus Bezahlinhalt generieren. Die Autoren der Studie gehen dabei von einigen Grundannahmen aus, über die es sich getrost streiten ließe. Zwar ist sicher unstrittig, dass Zeitungsverleger mehrheitlich der Meinung sind, hochwertiger journalistischer Content könne nicht einfach so verschenkt werden. Auch, dass eine fehlende Finanzierung dem Journalismus über kurz oder lang die Basis entzieht, ist unstrittig. Allerdings unterstellen die Autoren auch eine wachsende Einsicht der Nutzer und eine zunehmende Bereitschaft, für „hochwertigen und exklusiven“ Inhalt auch zu bezahlen. Doch selbst, wenn man das als richtig voraussetzt: Offen bleibt wenigstens die Frage, wie dieser „hochwertige und exklusive Inhalt“ aussehen könnte und ob es in jedem Haus so viel davon gibt, dass man daraus ein wirklich tragfähiges Geschäftsmodell machen kann. Für eine generelle Bezahlschranke spricht sich allerdings auch die Studie nicht aus, stattdessen verweist sie auf eine „metered wall“, wie sie in einigen Häusern bereits praktiziert wird.

Bleibt schließlich noch eine Erlösquelle, die mit dem ursprünglichen Verlagsgeschäft nicht mehr sehr viel zu tun hat: E-Commerce. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass auf Dauer kein Verlag auf solche Nebengeschäfte verzichten kann. Sie verweisen dabei u.a. auf das Beispiel von Axel Springer oder Burda. Die Häuser sind u.a. an Plattformen wie KaufDa (Springer) oder dem Netzwerk Xing (Burda) beteiligt. Populär und erfolgreich seien zudem so genannte Print-Online-Auktionen oder auch Rückwärtsauktionen, wie sie beispielsweise bei „süddeutsche.de“ angeboten werden.

Im zweiten Teil der Zeitungszukunft geht es vor allem um die Perspektiven und Möglichkeiten auf mobilen Endgeräten sowie die Entwicklung von Apps.

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