Spätestens jetzt, wo der ganze Journalismus mobil, sozial und auch bewegtbebildert ist, muss sich jeder Journalist ein paar Gedanken darum machen: Wie halte ich es denn mit Webvideos? Wie drehe und vor allem wie produziere ich sie? Mehr und mehr stellt sich dabei heraus: Ein klassisches Schnittsystem mit einen ganzen Funktionen braucht man im Zeitalter der Smartphones und der Social-Media-Videos immer weniger. Im Gegenteil: Wenn es schnell gehen soll, ist ein eine „richtige“ Videoschnitt-App eher hinderlich als hilfreich. Ein paar Apps im Check…
Das haben anscheinend auch eine ganze Reihe App-Anbieter in letzter Zeit festgestellt, der Trend geht jedenfalls sehr eindeutig zu sehr reduzierten, schlanken Apps. Häufig sind sie so ausgerichtet, dass man vergleichsweise simpel ein paar Bilder aneinaderrreihen und ein bisschen Ton dazu fügen kann. Den Rest macht dann schon die App: Übergänge, Ein- und Ausblenden, manchmal noch ein Titel – und das war es dann schon. Kein Wunder, wer braucht schon Apps, mit denen man theoretisch ganze TV-Beiträge zusammenschneiden kann, wenn es doch nur quick and dirty für das (soziale) Netz sein soll? Zugegeben, ja: TV-Redakteure werden das wohl auch brauchen, weil ihre Herangehensweise eine andere ist. Für alle anderen gilt: Schnelligkeit geht vor Verpackung. Das, was früher bei eine TV-Beitrag als „Qualität“ gegolten hätte, ist dem Facebook- und Snapchat-Nutzer des Jahres 2017 weitgehend egal.
Kein Wunder also, dass es mehr und mehr von diesen Apps gibt. Weil sie in ihrer ganzen Schlichtheit perfekt ausgerichtet sind auf die Bedürfnisse insbesondere im sozialen Netz. Und weil Webvideos eben doch etwas ganz anderes sind als klassische Beiträge.
iMovie: Der Klassiker für alle Webvideos, jetzt kostenlos
Mit Videoschnitt-Apps lässt sich nicht mehr allzu viel Geld verdienen. Irgendwie sowas muss man sich bei Apple gedacht haben, als man jetzt den Klassiker iMovie komplett kostenlos gemacht hat. Dafür bekommt man immer noch eine App, die kaum Wünsche offen lässt. Wer will, kann mit iMovie komplette und durchaus auch anspruchsvollere Beiträge produzieren. Und ganz sicher ist iMovie die App, die einem „richtigen“ Schnittprogramm am Desktop am nächsten kommt.
Das hat allerdings auch ein paar kleine Nachteile. Weil die App ziemlich voll mit den unterschiedlichsten Funktionen ist, gibt es mittlerweile Konkurrenten, mit denen man deutlich schneller ein Ergebnis bekommt. Die sehen dann zwar auch entsprechend schlicht aus. Aber wer nur schnell bei Facebook oder Instagram ein paar Momentaufnahmen posten will, der braucht, nicht unbedingt zusätzliche Tonspuren und andere Gimmicks. Dafür kann man iMovie auch am Desktop verwenden und hat dadurch eine gut funktionierende und an mobilen wie stationären Geräten synchronisierte Lösung für alle Formen der Webvideos (mit dieser Idee steht Apple inzwischen aber nicht mehr alleine, wie wir im Verlauf noch sehen werden).
Trotzdem: Wer klassisch journalistisch produzieren will, kommt an iMovie nach wie vor nicht vorbei. Zumindest dann, wenn er ein iPhone hat. Für Android wird die App weiterhin nicht angeboten.
Der Kompromiss: WeVideo
Man muss also schon ein bisschen was vom „richtigen“ Schneiden verstehen, wenn man mit iMovie arbeiten will. Wem das zuviel ist und wem die Tools, mit denen man lediglich ein paar Clips aneinderpacken kann, zu wenig ist: Mit WeVideo gibt es eine ziemlich gute Alternative. Man kann damit passable Filme zusammenstellen, mit einer zweiten Tonspur arbeiten und Insert oder Bauchbinden verwenden – ohne dafür lange fummeln zu müssen. Wer es dann dennoch präziser und größer mag, für den gibt es das große WeVideo-Schnittprogramm. Es ist browserbasiert, erhältlich in einer kostenlosen Basisversion bis hin zu diversen Paid-Modellen. Eine ziemlich gelungene Kombination für alle, die keine Apple-User sind und denen Programme wie Adobe Premiere einfach zu schwer sind.
Apple Clips: Die App fürs Snapchat-Zeitalter
Mit iMovie hat Aplle die vermutlich komplexeste, allerdings wohl auch die beste Videoschnitt-App am Start. Mit „Clips“ hat Apple jetzt allerdings auch das exakte Gegenteil davon gebaut. „Clips“ sieht aus, als sei die App dem Umstand geschuldet, dass User neuerdings nicht mehr komplexe Videos bauen, sondern kurze und irgendwie hippe „Stories“ erzählen wollen. Mit „Clips“ nimmt man Videosequenzen oder Fotos auf, stellt sie hintereinander, packt ein paar Titel und anderen lustigen Kram rein – und fertig ist die Geschichte, wie sie auch Snapchat und Intagram nicht anders gebaut hätten. Das ist insofern praktisch, weil man damit theoretisch mit einer App „Stories“ für mehrere Plattformem bauen kann (sofern man daran glaubt, dass diese Erzählform Zukunft hat und nicht nur ein Hype dieser Tage ist.) Sind das noch Webvideos? Das kann man, muss man aber nicht debattieren.
Lustige Funktion, die vor allem für Videos in sozialen Netzwerken interessant ist: Per Spracherkennung kann man seinen Videos auch Untertitel verpassen. Funktioniert erstaunlich gut. Und mal ganz ehrlich: Wer braucht schon ein „richtiges“ Schnittprogramm, wenn er nur mal eben ein paar Clips aus dem Leben (oder auch aus einer Veranstaltung) online stellen will?
(im App Store, kostenlos, nur für iOS)
Premiere Clip: Für die Adobe-Liebhaber
Eine ähnliche Idee hatte vor geraumer Zeit auch schon Adobe. Was zumindest für die Android-User eine gute Nachricht ist, weil es dadurch eine Alternative zur Apple-App gibt. Allerdings nicht ganz so (pseudo-)hip. Die Idee ist trotzdem die gleiche: eher „Storie“ als Webvideos.
Ihr größter Vorteil: Sie ist von Adobe und mühelos mit dem „großen“ Premiere Pro zu verknüpfen. Wer also ohnehin Premiere Pro nutzt und womöglich (oder sogar: vermutlich) ein CreativeCloud-Abo hat, für den lohnt es sich grundsätzlich. Sämtliche Projekte lassen sich mit Premiere Pro synchronisieren und auch die Cloud lässt sich wie gehabt nutzen. Davon abgesehen gibt es viele Features, die für Hobbyfilmer ganz nett, für Journalisten aber komplett entbehrlich sind. Man will ja nicht ernsthaft, dass die App einen Clip automatisch mit Musik hinterlegt und editiert.
Wer keine Adobe-ID bzw. kein Abo hat: Mit einer kostenlosen ID kann man Adobe Clip dennoch kostenlos nutzen. Mit enthalten sind auch 2 GB kostenloser Platz in der Cloud. An der für Videosverhältnissen eher knappen Größenordnung bemerkt dann auch das (legitime) Ziel Adobes: Menschen dann doch zu einem Abo zu bewegen. Mit 2 GB kommt man naturgemäß nicht sehr weit.
(im App Store, Google Play)
Comments 1