LinkedIn, wir müssen reden! So können Sie Beiträge natürlich schon beginnen. Aber seien wir ehrlich, dann haben Sie schon verloren.
Sie langweilen sich gerade beim Einstieg in diese neue Ausgabe der Content Hacks? Kein Wunder, zwei der drei ersten Sätze sind platte Phrasen. Mit „XY, wir müssen reden“ beginnt inzwischen jeder dritte vermeintlich bedeutungsschwangere Text, der Dringlichkeit suggerieren soll. Und seien wir ehrlich ist, seien wir ehrlich, eine sinnlose Füll-Floskel.
Deshalb befassen sich die heutigen Content Hacks mit zwei der am weitesten verbreiteten Fehler, wenn geschrieben wird: der Floskel und der Übertreibung.
Aufmerksamkeits-Killer Nummer eins: Die Floskel
Floskeln und Phrasen, nichts führt zuverlässiger zum Tod jedes halbwegs guten Textes. Aus vier Gründen:
- Floskeln und Phrasen werden so oft benutzt, dass Sie kaum mit Aufmerksamkeit rechnen dürfen, wenn Sie jetzt auch noch eine gebrauchen.
- Floskeln und Phrasen sind meistens so inhaltsleer, dass Sie ganz sicher nicht das sagen, was Sie eigentlich sagen wollen.
- Floskeln und Phrasen blähen Texte auf. Unnötig zu sagen, dass das unnötig ist.
Wer viele Floskeln und Phrasen verwendet, steht unter dem Generalverdacht, sich nicht ausreichend Mühe gemacht zu haben beim Texten. Man muss kein Germanist sein, um zu wissen, dass es ausnahmslos immer eine bessere Möglichkeit gibt als eine Floskel. Was zur Frage führt: Was genau fällt jetzt alles unter Floskel? Was gilt als Füllphrase?
Vier Beispiele für Floskeln
„Am Ende des Tages“
Warum es eine Floskel ist: Wenn Sie damit sagen wollen, dass etwas zusammenfassend oder als Konsequenz so ist, sagen Sie es auch so. Am Ende des Tages ist das beste Beispiel für eine Bläh-Floskel. Sie ist das Weißmehl der deutschen Sprache: Der Nährwert ist gering.
Besser: Sagen Sie, was Sie sagen wollen. Wenn es eine Zusammenfassung ist, dann nennen Sie es auch so.
„Es liegt auf der Hand“
Warum es eine Floskel ist: Wenn es offensichtlich ist, warum müssen Sie dann noch sagen, dass es offensichtlich ist?
Besser: Das Offensichtliche beschreiben oder darauf verzichten. Statt „Es liegt auf der Hand, dass Klimaschutz wichtig ist“ treffen Sie eine konkrete Aussage: „Klimaschutz ist entscheidend für die Zukunft.“ Kommt auch viel kräftiger und entschiedener daher.
„Auf Augenhöhe begegnen“
Warum es eine Floskel ist: Diese Phrase wird oft verwendet, um Partnerschaftlichkeit zu beschreiben, ist aber so abgegriffen, dass sie fast nichts mehr aussagt. Alle begegnen sich mittlerweile auf Augenhöhe: Chefs mit Mitarbeitern, Ehefrau und Ehemann, Mama und Papa mit dem Kind, Lehrer mit Schülern. Davon abgesehen: Was sagt diese angebliche Augenhöhe eigentlich aus?
Besser: Beschreiben Sie präzise, was Sie meinen. Oder würden Sie allen Ernstes mit einem konkreten Anliegen zu Ihrem Chef gehen und ihm sagen, Sie wünschen, dass er Ihnen künftig auf Auenhöhe begegnet. Wäre ich Ihr Chef und Sie kämen mit dieser Bitte zu mir, würde ich sofort zusagen. Weil mich das zu exakt nichts verpflichten würde.
„Ein Blick in die Zukunft“
Warum es eine Floskel ist: Sie zeigt das ganze Elend von Floskeln. Unpräzise, dehnbar, langweilig – schon alleine deswegen, weil Zukunft ein relativer Begriff ist. Wann soll diese Zukunft sein? Nächstes Jahr, in 50 Jahren – oder in 5 Minuten?
Besser: Direkt formulieren, worum es geht: „Bis 2030 werden Elektroautos den Markt dominieren.“
Aufmerksamkeits-Killer Nummer zwei: Übertreibungen
Es geht zügig – und eine Sache, die etwas ungewöhnlich ist, wird als „unfassbar“ tituliert. An manchen Tagen lese ich so viel und oft von vermeintlich unfassbaren Dingen, dass ich mich frage, wie jeden Tag derart sensationelle Dinge passieren können, ohne dass ich sie mitbekomme. Oder ob die Menschheit komplett verdummt ist, weil sie inzwischen selbst vergleichsweise banale Dinge gar nicht mehr fassen kann.
Wenn Sie also nicht gerade Sport-Reporter sind, bei denen inzwischen jede zweite Aktion „unfassbar“ ist, sollten Sie ein wenig unaufgeregter formulieren. Ein schöner Song muss nicht gleich „genial“ sein und auch mit der penetranten Verwendung eines Begriffs wie „Wahnsinn“ sollten Sie vorsichtig sein, wenn Sie einen unfassbar genialen Text schreiben wollen (gilt natürlich auch für Reden).