Kann es sein, dass ausgerechnet die Nutzung von Video im Netz gerade an seine Grenzen stößt? Die Zahlen aus der neuen ARD-ZDF-Onlinestudie legen das nahe. Was die Zahlen allerdings nicht erklären: warum das so sein soll…

Zu diesem Thema existieren normalerweise unter Menschen aus der Digitalszene keine zwei Meinungen. Bewegtbild ist die Gegenwart und die Zukunft des digitalen Journalismus. Auf Videos kann man nicht mehr verzichten. Und tatsächlich gibt es ja inzwischen kaum mehr einen Kanal, auf der Webvideos nicht allgegenwärtig wären: klassische Webseiten, soziale Netzwerke, Videoplattformen. Sogar Filme und klassisches TV werden zunehmend gestreamt. Die Zahlen von Youtube vermitteln den Eindruck, als würde den ganzen Tag nur noch geschaut. Selbst Social-Media-Riese Facebook setzt massiv auf das Thema.
Und jetzt das: In Deutschland wächst das Thema Video nicht mehr weiter. Zumindest da nicht, wo es für Journalisten interessant wäre. Zwar erleben Streamingdienste wie Netflix und Amazon gerade eine enormen Boom. Aber Videos bei YouTube oder Facebook? Stagnieren, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau.
Zwar halten es die Autoren der ARD-ZDF-Onlinestudie für „verfrüht„, daraus einen nachhaltigen Trend ableiten zu wollen. Aber erstaunlich ist das schon: Haben wir Journalisten die Bedeutung von Video womöglich überschätzt? Könnte es sein, dass es zwar diverse Märkte für YouTube oder populäre Selfmade-Journalisten gibt, der Bedarf an sonstigen journalistischen Videos gar nicht so groß ist, wie wir immer meinen?
Dazu erst einmal die nackten Zahlen:
Viele Nutzungswege, namentlich Videoportale wie YouTube, Mediatheken der Fernsehsender, aber auch Facebook können ihre Bedeutung gegenüber dem Vorjahr nicht weiter steigern. 72 Prozent der Bevölkerung nutzen mindestens selten ein Bewegtbildangebot im Netz. Das entspricht exakt dem Anteil, der auch 2016 erhoben wurde. Damit ist ein langjähriges Wachstum erstmals — nach einem deutlichen Anstieg in beiden Vorjahren — zum Stillstand gekommen. Die Anteile der Bevölkerung, die häufiger Bewegtbild nutzen, sind sogar leicht gesunken: mindestens wöchentliche Nutzer um 3 Prozentpunkte auf 53 Prozent, tägliche Nutzer um 2 Prozentpunkte auf 24 Prozent.
Gleichzeitig steigt die Nutzung der Streamingdienste wie Netflix und Amazon spürbar. Deren Reichweite auf Basis mindestens seltener Nutzung liegt nun bei 38 Prozent liegt. Das ist ein Wachstum um 20 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres. Daraus könnte man schließen, dass die High-End-Produktionen, gute Filme und professionell gemachtes TV-Material dem semiprofessionellen Video im Netz den Rang ablaufen. Aber: Das ist reine Spekulation und aktuell durch nichts zu belegen.
Die große Ausnahme auch bei Video: die jüngste Zielgruppe
Bevor nun aber der Gedanke aufkommt, dass man das ganze Video-Thema damit deutlich niedriger hängen könnte: Das ist vermutlich ein Trugschluss, Das liegt, wie so oft, an der jüngsten Zielgruppe, die in dieser Studie mit 14 bis 29 definiert ist. Dort hat das Thema Video inzwischen eine gewaltige Bedeutung. In den beiden jüngsten Altersgruppen (14-29 Jahre, 30-49 Jahre) nutzen über 90 Prozent zumindest selten bewegte Bilder im Netz. Wenn man voraussetzt, dass sich an gelerntem Medienverhalten später nicht mehr allzu viel Gravierendes ändert, dann wird klar, warum die Bedeutung des Bewegtbilds in Zukunft vermutlich wieder ansteigen wird.