Journalisten sollten soziale Netze nützen. Das ist keine wirklich neue Erkenntnis, sondern mittlerweile eher eine Feststellung. Aber warum? Diese Frage beantwortet der Social-Media-Kopf der „Süddeutschen Zeitung“ im Interview. Ein besonders wichtiger Aspekt, der gerne mal vergessen wird: Präsenz in sozialen Netzwerken hat auch etwas mit journalistischer Glaubwürdigkeit zu tun…
Gibt es einen Trend zurück zu mehr Privatheit im Netz? Hat Facebook seinen Zenit übeschritten und müssen Journalisten demnach jetzt auch in Messengerdiensten wie beispielsweise „What´s App“ permanent aktiv sein? Auch 2014 dürften die sozialen Netze für Journalisten und Redaktionen eine enorm große Rolle spielen.
Unbeschadet dessen, dass Dienste wie „Snapchat“ Ausdruck eines Wunsches nach mehr digitalem Vergessen sind: „Social Media beschreibt eine Entwicklung, die wir schon vor dem Internet kannten, nämlich dass Journalisten mit ihrem Publikum in einem Dialog stehen.“ Das sagt Dirk von Gehlen, Redaktionsleiter bei jetzt.de und Social-Media-Vordenker bei der „Süddeutschen Zeitung“. Zwar räumt auch von Gehlen ein, dass die technologische Grundlage dieser Kommunikation durch das Netz als Rückkanal erheblich bescheinigt worden sei. Dennoch sei diese Grundlage der Kommunikation unentbehrlich für den Journalismus.
Eine der meist diskutierten Fragen in diesem Zusammenhang: Warum sollten Journalisten überhaupt einen solchen Rückkanal nutzen, warum sollen sie sich in sozialen Netzen engagieren und präsentieren? Für Dirk von Gehlen ist diese Frage leicht beantwortet: „Man sollte das nutzen, wenn man wissen will, welche Ergebnisse das eigene Arbeiten nach sich zieht.“ Nicht nur deswegen, weil man das wissen will. Sondern auch, wie von Gehlen sagt, diese Ergebnisse neue Ergebnisse erbringen könnten. Im Idealfall würde dies auch „das eigene Schreiben, das eigene Produzieren besser machen“.
Für den „jetzt.de“-Chef hat die Präsenz in sozialen Netzwerken aber auch noch einen anderen Aspekt: Glaubwürdigkeit. Journalisten seien mittlerweile nicht mehr alleine und per se glaubwürdig, weil sie publizieren können. Vielmehr gehe es mittlerweile auch darum, die eigene publizistische Glaubwürdigkeit durch Präsenz und Interaktion in sozialen Netzen zu untermauern: „Glaubwürdig wird man, wenn man das eigene Publikationsthema auch unterfüttern kann, wenn man es im Dialog bestätigen kann.“
Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Präsenz von Journalisten und Redaktionen in sozialen Netzen immer noch ausbaufähig. Aber wie bringt man Social-Media-Muffel dazu, die Arbeit bei Facebook und Co. als einen selbstverständlichen Bestandteil ihrer täglichen Arbeit zu sehen? Keine Sache, die man mit langen und ausschweifenden theoretischen Vorträgen bewerkstelligen kann, glaubt der SZ-Mann. Überzeugung könne erst entstehen, wenn man den Nutzen von sozialen Netzwerken auch tatsächlich selbst erkennt – und das wiederum gehe nur, wenn man diese Netze auch tatsächlich selbst nutzt. Ein Kreislauf, der kaum zu durchbrechen ist?
Nicht unbedingt. Schließlich sind soziale Netzwerke aus journalistischer Sicht für von Fehlen nichts sehr viel anderes als die gute, alte Leserbeteiligung. Freilich erweist sich das Netz hier ebenfalls als Verstärker und Beschleuniger: „Die Rolle der Leser wird sicher wichtiger.“
Was allerdings die Frage aufwirft, wie weit die Freiheit eines – beispielsweise – SZ-Redakteurs geht, wenn er sich in diesen Dialog mit dem Leser begibt. Darauf hat die SZ eine einfache Antwort; eine, die auch bei Blätter wie der „New York Times“ oder dem „Guardian“ gilt: Don´t be an Idiot.“