Print 21. April 2013

Der Leser – manchmal der bessere Journalist

by Christian Jakubetz

Leserreporter – für die einen schlichtweg Unfug, für die anderen eine willkommene und gute Ergänzung des klassischen Journalismus. Gerade im Lokalen schaffen sie Freiräume, die von den Redaktionen genutzt werden könnten – für weniger Terminjournalismus und dafür mehr eigene Geschichten…

myheimat
Die Debatte gibt es, seit Lokaljournalismus gemacht wird: Sind (Lokal)Journalisten nahe genug an ihren Lesern? Schreiben und berichten sie tatsächlich über die Dinge, die die Menschen vor Ort interessieren? Oder machen sie Zeitungen eher doch aus der Perspektive einer Journalistenwelt? Erst unlängst hat eine Äußerung von Manfred Braun, Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe (ehemals: WAZ) für Diskussionen gesorgt. Funke sagte sinngemäß, speziell im Lokalen gehe es nicht immer nur um journalistische Qualität und gute Geschichten – oder wenigstens das, was Journalisten oft dafür halten. Vielmehr gehe es um Lesernähe, die gerne von Journalisten mal vergessen werde.

Unabhängig davon, ob man dieser Meinung zustimmt: In Deutschland gibt es mit  „My Heimat“ ein Projekt, das Lokaljournalismus macht – und dabei ganz auf klassische Journalisten verzichtet.  Stattdessen beschreiben die Menschen vor Ort ihre Lebenswelt, eine Tätigkeit, die inzwischen unter dem Schlagwort „Bürgerreporter“ zum geflügelten Wort geworden ist. Inzwischen hat „My Heimat“ das Modell auch als White-Label-Lösung an Verlage lizensiert. Dabei lässt sich trefflich darüber streiten, ob das jetzt noch Journalismus ist. Oder ob dort einfach nur Menschen über sich und ihre Umgebung schreiben, in möglichst hellen und strahlenden Bildern, in denen Dinge, die nun mal auch zum Leben und zum Journalismus gehören, keinen Platz haben.

Für Martin Huber, Geschäftsführer des „My Heimat“-Betreibers „Gogol Medien“, stellt sich die Frage in dieser Form erst gar nicht. Er glaubt an eine strikte Trennung zwischen den Bürgerreportern und den ausgebildeten Journalisten. Jeder habe seine Stärken und Fähigkeiten, die ihm seine Existenzberechtigung geben. Und letztendlich könnten auch beide voneinander profitieren. Speziell für Lokalredakteure biete sich damit die Chance, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die Journalismus ausmachen. Sprich: weniger Vereins- und Terminjournalismus, dafür mehr Geschichten.

Die Erkenntnis scheint sich durchzusetzen: Nach eigenen Angaben sind bereits 25 Lokalzeitungsportale mit der Technologie von „My Heimat“ ausgestattet, angeblich schreiben dort 200.000 Leserreporter. Und machen dies mit einer an sich netzuntypischen Disziplin: Von 9000 Beiträgen monatlich muss gerade mal einer gelöscht werden.

Journalismus und Journalisten braucht es aber auch im Lokalen weiterhin, sagt Martin Huber. Zeit für gute Geschichten sollten sie ja künftig ausreichend haben.

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