Wie geht es der Printbranche im Jahr 2012? Auf diese Frage bekommt man naturgemäß und je nach Sichtweise unterschiedliche Antworten. Eines aber lässt sich beim Blick auf aktuelle Zahlen festhalten: Nicht nur die Tageszeitungen schwächeln. Auch die Zeitschriften hat es jetzt erwischt, zumindest bei den jüngsten Quartalszahlen. Eine Momentaufnahme – oder doch ein dauerhafter Trend?

Auf den ersten Blick lassen die Zahlen keinen Raum für Interpretationen: Die drei Dickschiffe „Stern“, „Focus“ und „Spiegel“ haben im letzten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum jeweils knapp 5 Prozent an Auflage verloren. Auch Springers „Bild am Sonntag“ musste erneut Federn lassen. Dort betrug der Auflagenschwund sogar 8,6 Prozent. Weitere heftige Verluste: „Bravo“ mit über 23 Prozent, „Joy“ verliert sogar her 27 Prozent, die „Freundin“ immerhin auch noch fast 20 Prozent.
Lässt sich daraus jetzt schließen, dass sich die Zeitungskrise auch auf die Zeitschriften ausgeweitet hat? Dieser Rückschluss ist aus mehreren Gründen nur sehr bedingt zulässig. Zum einen, weil die Kurve bei den Zeitschriften seit jeher instabiler war als bei den Tageszeitungen. Tageszeitungen verzeichnen seit rund 15 Jahren in ihrer Auflagenentwicklung ein stetiges Minus. Nie mit solchen Ausschlägen, wie sie die Zeitschriften – siehe oben – teilweise hinnehmen müssen. Tageszeitungen verlieren konstant zwischen 1 und 2 Prozent ihrer Auflage pro Jahr, aber haben keine wirklichen Einbrüche zu verzeichnen. Bei Zeitschriften war das seit jeher anders. Beispielsweise sind Wochenzeitungen zwar inzwischen wieder auf dem Auflagenniveau von 2002 angekommen, bis 2006 aber kletterten die Auflagen sogar. Das war zu einem Zeitpunkt, als sich im Genre der Tageszeitungen schon niemand mehr ernsthaft Hoffnungen machte, dass die Auflagen jemals wieder steigen würden.

Zweiter Grund: Der Zeitschriftenmarkt ist weitaus weniger homogen als der für Tageszeitungen. Es gibt immer wieder einzelne Genres, die stark boomen, unbeschadet der Tatsache, dass es möglicherweise anderen Genres sehr viel schlechter geht. Ein guter Beleg dafür ist der ungebrochene Boom der Blätter, die sich mit dem Landleben beschäftigen. „Landlust“ beispielsweise ist eine immer noch ganz erstaunliche Erfolgsgeschichte. Das Blatt wurde vor wenigen Jahren in Münster gegründet und bewegt sich mit seiner Auflage inzwischen in Millionennähe. Auch eine ganze Reihe von Nachahmerblättern, die sich das Leben auf dem Land zum Thema gemacht haben, haben im vergangenen Quartal exorbitant bei ihren Auflagen zugelegt.
Umgekehrt zeigt der zweite aktuelle Aufsteiger bei den Auflagen, wie schwankend die Publikumsgunst bei den Genres verteilt ist: Programmzeitschriften erfreuten sich im letzten Quartal wieder enormer Beliebtheit – dabei hatte man das gesamte Genre noch vor einigen Jahren beinahe tot gesagt. Auch andere Zeitschriften legten gegen den Trend teilweise erheblich zu. Und speziell die Magazine wie „Stern“ und „Spiegel“ sind immer auch ein Stück weit von der aktuellen Nachrichtenlage abhängig. Dass es also in nachrichtenärmeren Zeiten durchaus zu stärkeren Rückgängen kommen kann, ist nicht ganz ungewöhnlich. Zumal sich manche Schwächen möglicherweise auch mit redaktionsinternen Problemen begründen lassen könnten. Zumindest beim „Spiegel“ gibt es ja schon länger Debatten darüber, ob das Blatt nicht einfach wirklich schwächer geworden ist.

Bei den Tageszeitungen hat sich laut BDZV die wirtschaftliche Lage stabilisiert. Insgesamt verbuchten die Blätter im Jahr 2011 einen minimalen Rückgang der Gesamterlöse um 0,1 Prozent. Dabei schrumpften die Erlöse aus Anzeigen und Beilagen um 2,2 Prozent. Dafür nahmen umgekehrt die Erlöse aus dem Vertrieb um 1,7 Prozent zu. Die verkaufte Auflage schrumpfte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 3 Prozent. Eine immer größere Rolle spielen aktuell die E-Paper-Ausgaben der Zeitungen. Inzwischen werden in Deutschland pro Tag rund 180.000 Stück verkauft, das entspricht einem Zuwachs von rund 33 Prozent. Stellt man allerdings die absoluten Zahlen gegeneinander, bemerkt man schnell, wie gering der Anteil gemessen an den gedruckten Zeitungen immer noch ist: Auf Papier verkaufen die Verlage immer noch rund 23 Millionen Stück am Tag.
- Die genauen Auflagenzahlen für alle Genres finden sich bei der IVW.
- Warum der BDZV an eine gute Zukunft für Zeitungen glaubt: die Pressemitteilung.
Die nackten Zahlen bei den Zeitungen zeigen aber auch etwas, was sich auf den ersten Blick nicht zwingend aus ihnen herauslesen lässt: Die Finanzierung wird in den nächsten Jahren schwieriger werden. De facto haben die Verlage die Rückgänge aus dem Geschäft mit Anzeigen und Beilagen durch höhere Vertriebserlöse kompensiert. Bei gleichzeitig sinkenden Auflagen kann man sich also vorstellen, was diese steigenden Vertriebserlöse tatsächlich sind: Preiserhöhungen. An der Preisschraube kann man aber nicht unendlich drehen – und gleichzeitig birgt jede Preisrunde auch das Risiko von Leserschwund in sich. Höhere Preise, weniger Leser, höhere Preise: ein unguter Kreislauf für die Verlage.