Digitales Leben 3. April 2012

Wie Zeitungen in die digitale Welt appwandern wollen

by Christian Jakubetz

Retten Apps und Tablets die Tageszeitung?  Radio Eriwan würde auf diese Frage vermutlich antworten: im Prinzip ja. Allerdings zeigt eine neue Studie des BDZV zu diesem Thema zweierlei. Zum einen: Die Ansprüche der Nutzer steigen, je jünger sie sind. Und zum anderen: Ein Selbstläufer ist die Sache mit den Tablets für die Verlage auf keinen Fall…

Der Satz des Springer-Chefs ist mittlerweile zum geflügelten Wort geworden: Man müsse Steve Jobs auf Knien für die Erfindung des iPads danken, zumindest, wenn man Zeitungsverleger sei. Matthias Döpfner sagte das vor allem, weil er und viele andere mit dem Tablett-Computer auch die Möglichkeit sagen, ihr bisheriges Geschäftsmodell quasi 1:1 von der analogen in die digitale Welt zu übertragen. Gut zwei Jahre gibt es das iPad und seine Epigonen inzwischen, etliche Zeitungen in Deutschland haben mit der Entwicklung von Apps reagiert. Eine Studie des BDZV hat sich jetzt intensiv mit dem status quo und natürlich auch mit dem Potential für die nähere Zukunft beschäftigt. Ergebnis: Interesse seitens der Nutzer gibt es nach wie vor, in der Ausführung ist allerdings noch Luft nach oben. Ein Selbstläufer ist die Rettung der Tageszeitung durch das iPad also keineswegs.

Für die Macher der Studie ergibt sich dieser Schluss vor allem aus einer dann doch erstaunlichen Diskrepanz:  Über die Hälfte derer, die über ein Endgerät verfügen, mit dem man eine Zeitungs-App nutzen könnte, bekunden generelles Interesse an einem solchen Produkt. Unter den iPad-Besitzern sind es sogar 62 Prozent. Dennoch sind es bisher aber nur 25 Prozent aller Gerätenutzer, die bisher eine Zeitungsapp nutzen (die Zahl bezieht sich natürlich auf die Gebiete, in denen es ein solches Angebot schon gibt). Die Studie hält es für möglich, dass die bisherigen Angebote bisher noch zu wenig bekannt sind, räumt allerdings zudem einen anderen Grund ein: „Es gibt jedoch auch Hinweise, dass die Zeitungs-Apps noch nicht vollumfänglich den Ansprüchen der Zielgruppe genügen.“

Den ersten Teil der Tageszeitungs-Perspektiven im digitalen Zeitalter lesen Sie hier.

Auffällig ist dabei auch ein anderer Aspekt: Je jünger das Publikum wird, desto schlechter werden die Apps der Tageszeitungen in den einzelnen Kategorien bewertet. Insgesamt bewertet die Zielgruppe in einem Alter bis zu 30 Jahre Zeitungsapps um eine halbe Schulnote schlechter als die Nutzer ab 50. Beim Bereich „Handhabung“ macht der Unterschied sogar einen Wert von 0,67 aus.

Auffällig: Junge Nutzer bewerten Zeitungsapps signifikant schlechter als das Publikum ab 50. (Grafik: BDZV)

Das liegt nach Meinung der Studienautoren vor allem daran, dass diese jungen Nutzer deutlich häufiger online sind und auch weitaus häufiger neue Apps ausprobieren. „Sie haben daher mehr Referenzpunkte, an denen sie ihre Bewertung eines App-Angebots fest machen können und werden dadurch zu insgesamt kritischeren Nutzern“, heißt es dazu in der Studie.

Das iPad – ein Kannibale?

Eine der spannendsten Fragen für die Zeitungsverlage dürfte die nach der Kannibalisierung sein: Wer seine Zeitung als App liest – ist das nicht ein Nutzer, der für die gedruckte Ausgabe unweigerlich verloren geht? Diese Frage kann die Studie naturgemäß nicht endgültig beantworten. Wohl aber zeigen sich einige sehr aufschlussreiche Tendenzen. Aus denen sich auch etwas herauslesen lässt. Beispielsweise, dass sich Nicht-Tablet-Besitzer zunächst kaum vorstellen können, jemals ihre Zeitung durch eine digitale Ausgabe zu ersetzen. Wenn sie dann aber erst einmal selbst im Besitz eines Geräts sind, ändert sich diese Auffassung relativ schnell.

Konkret: Stellt man die Aussage „Wenn eine Zeitungs-App richtig gut gemacht ist, dann könnte ich leicht auf eine gedruckte Zeitung verzichten“ zur Debatte, dann steht unter den Nicht-Tablet-Besitzern erst einmal eine Mehrheit dieser Idee ablehnend gegenüber. Wer dann aber erst einmal ein iPad oder Ähnliches sein eigen nennt, der sieht das schnell anders: 53 Prozent der Besitzer stimmen dem möglichen Verzicht dann stark bzw. sehr stark zu. Die Vermutung ist deshalb nicht von der Hand zu weisen: Haben Zeitungsleser erst einmal ihre eigenen Erfahrungen mit dem Tablet gemacht, halten sie die gedruckten Ausgaben zunehmend für verzichtbar. Das ist natürlich noch keine Aussage über eine generelle Verzichtbarkeit von Zeitungen und deren Inhalten, wohl aber darüber, dass zunehmend Papier als Trägermedium als nicht mehr notwendig betrachtet wird. Insgesamt sehen allerdings momentan noch 55 Prozent der Befragten eine App lediglich als eine „sinnvolle Ergänzung“ der Tageszeitung. Und: 82 Prozent der Befragten wünschen sich Kombinationsmodelle zwischen einem Print- und einem Digitalabo. Auch das deutet darauf hin, dass die Leser generell nur ungern das eine zugunsten des anderen aufgeben wollen.

Für eine Kannibalisierung der gedruckten Ausgabe durch einen Tablet-PC spricht auch noch eine andere Zahl. Während in 26 Prozent der befragten Haushalte mit Zeitungsabo und ohne ein digitales Lesegerät im vergangenen Jahr schon einmal die Kündigung des Abos in Erwägung gezogen wurde, steigt dieser Wert in Haushalten mit Tablet spürbar an. Hier haben 32 Prozent schon einmal ernsthaft erwogen, ihr Abo zu kündigen.

Lokales unbedingt – Videos eher nicht

Durchaus konservativ zeigen sich die Nutzer von Zeitungsapps bei ihren inhaltlichen Wünschen. Im Vordergrund stehen ganz eindeutig Inhalte, wie sie vor allem für regionale Tageszeitungen üblich sind. Am häufigsten gewünscht sind lokalen und regionale Nachrichten, nationale Nachrichten sowie Hintergründe und Analysen. Visuelle und multimediale Elemente, für die speziell das iPad ja eigentlich eine ausgesprochen geeignete Plattform wäre, spielen für die Klientel des zeitungslesenden Publikums keine herausragende Rolle. So werden beispielsweise Fotostrecken erst an siebter Stelle der gewünschten Inhalte genannt, Videos kommen sogar erst an zehnter Stelle. Verkürzt ließe sich also sagen, dass das bisherige Zeitungspublikum in Sachen Multimedialität und Interaktion kaum Ansprüche an eine App stellt und in erster Linie eine Zeitung auf dem Bildschirm möchte. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, warum eine deutsche Mehrheit der Befragten bisher nicht auf die Idee kommt, die App könne die gedruckte Zeitung ablösen.  Und warum diese Klientel zudem Apps lediglich als eine „Ergänzung“ betrachtet. Die Tatsache allerdings, dass sich die Ansichten zu Tablets und Apps sich spürbar ändern, sofern man selber zum Nutzer bzw. Besitzer geworden ist, zeigt, dass sich die Verlage nicht allzu sehr auf diese Einstellung verlassen sollten. Mit dem Besitz eines Tablets steigen auch die Ansprüche sprungartig an. Zudem kommt die Tatsache, dass vor allem das begehrte junge Publikum ebenfalls generell höhere Ansprüche an eine App stellt.

Wichtig sind dem Publikum ganz generell zwei Dinge bei einer App: Aktualität und Personalisierung.  77 Prozent der Befragten halten demnach eine täglich mehrfache Aktualisierung einer App für wichtig, 59 Prozent möchten ihre App personalisieren können. Immerhin 41 Prozent wären sogar bereit, mehr Geld für eine App auszugeben, sofern sie dafür werbefrei wäre. Einen Schwerpunkt auf Videos, Fotos und interaktiven Grafiken wünschen sich dagegen nur 30 Prozent der Befragten von einer Zeitungsapp.

iPad-Besitzer sind spendabler

Bleibt natürlich noch die viel diskutierte Frage: Wer soll das bezahlen? Generell scheint die Vermutung zuzutreffen, dass im Gegensatz zum freien Netz die generelle Bereitschaft, für journalistische Inhalte Geld auszugeben, bei Apps spürbar größer ist. Interessanter Aspekt bei der Studie: Diese Zahlungsbereitschaft variiert tatsächlich nochmal nach Tablet-Typ. iPad-Besitzer sind spürbar zahlungsbereiter als Nutzer anderer Geräte. Bei der Summe, die sie bereit sind auszugeben, nehmen sich dann aber die Besitzer der unterschiedlichen Geräte beinahe nichts. In Zahlen: Während 81 Prozent der iPad-Nuter ihre generelle Bereitschaft äußern, für journalistische Inhalte zu bezahlen,  sind es bei Androidnutzern lediglich 54 Prozent. Letztere würden dafür aber würden dafür aber generell im Monat geringfügig mehr Geld in die Hand nehmen als die Apple-Nutzer. Beide geben einen Betrag von gut 8 Euro an, den sie monatlich fr Inhalte ausgeben würden. Das klingt zwar zunächst erfreulich, ist aber bei genauerem Hinsehen nicht so viel, wie man zunächst meinen könnte. Angesichts der Tatsache, dass beispielsweise ein Digitalabo der „Süddeutschen Zeitung“ im Monat 29,90 Euro kostet, relativiert sich dese Summe schnell wieder. Für nicht einmal 9 Euro im Monat würde der Nutzer jedenfalls kein vollständiges Monatsangebot einer Zeitung bekommen.

Für die Studie wurden 3500 Nutzer aus den Verbreitungsgebieten von acht Verlagen befragt. An der Studie beteiligt waren: Axel Springer, Berlin; Verlagsgruppe Rhein Main, Mainz; Nordkurier, Neubrandenburg; Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, Flensburg; General-Anzeiger, Bonn; WAZ-Mediengruppe, Essen; Rheinische Post, Düsseldorf; und Schwäbische Zeitung, Leutkirch. Ergänzt wurde die quantitative Erhebung um eine Feldstudie mit 40 Nutzern, die mit iPads ausgestattet wurden.

 

 

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