Im vergangenen Jahr tauchten sie plötzlich überall auf: Fotos, die mit Instagram gemacht wurden. Was am Anfang reizvoll aussah, ist inzwischen zum Kreativitätstöter geworden, meint Heike Rost.

Eigentlich mochte ich instagram ganz gerne; damals, in ihren Anfangszeiten, als die Plattform noch nagelneu war. Das Smartphone in der Hosentasche nutze ich immer wieder gerne zum Photographieren. Dann, wenn ich keine Lust habe, eine “richtige” Kamera mitzuschleppen; denn auch meine bevorzugte Basis-Ausstattung hat eine gewisse Sperrigkeit: Ein DSLR-Gehäuse, ein 2,8/105mm Makro, ein 2,0/35mm, zwei Winziglinsenexoten brauchen einen kleinen Rucksack. Insofern bevorzuge ich unterwegs oft die Westentaschenknipse; ganz konsequent übrigens ohne Aufstecklinsen aller Art. In der Beschränkung auf die Möglichkeiten von Bildwinkel und Brennweite liegt für mich Konzentration, Entdeckung der Möglichkeiten, Aufforderung zur Gedankenarbeit an einem Bild, bevor der Finger die Kamera auslöst. Das ist Herausforderung und Übung in einem, nötigt buchstäblich dazu, sich zu bewegen: Näher ans Motiv, ausprobieren, auch ein “Smartphonegrapher” hat so hilfreiche eingebaute Features wie … Kniegelenke. Die photographischen Notizen entstehen im Kopf, haben ohnehin ihre eigenen Qualitäten und Geschichten.

Überhaupt, das Quadrat als “Un-Format” der Gestaltung, es hat seine Tücken, die ohne gestalterisches Können oft direkt in Abgründe gähnender Langeweile führen. Mich stört das weniger, weil ich die Herausforderung dieses Formats als kreative Übung ebenfalls sehr zu schätzen weiß. Darüber hinaus gibt es mittlerweile eine Vielzahl nützlicher Apps (Snapseed, Filterstorm, Photogene stellvertretend für viele), die freie Ausschnittwahl zulassen. Neben unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten übrigens, die weit größeren Spielraum für kreative Digitalnotizbuchkritzler eröffnen als instagram: Die eingebauten Filter dieser App gehen mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven und verleiden mir einen Großteil der Schnappschüsse auf der bei ihrem Start als “the next big thing” gehypten Plattform. Die antikisierende Kunstpatina lässt sich nicht individuell dosieren, passt wahrhaftig nicht zu jedem Bild. Deren Absender hindert das mitnichten daran, sich für begnadete Künstler zu halten. Schade nur, dass oft genug der digitale Zuckerguss aus der App-Retorte nicht einmal mehr verschleiert, wie absolut unterirdisch, grottenlangweilig und grandios unvermögend viele der geposteten bunten Schnipsel sind. Bei inflationärer Anwendung verursachen die digitalen Patina-Mätzchen (wie auch allgegenwärtiges, überreiztes HDR und Tiltshift) bei mir mittlerweile eine Art visuelles Daueraufstoßen.
Nichts gegen eine Reihe brillanter Könner, die ihre Bilder via instagram posten: Es sind oft sehr poetische, fesselnde Werke zwischen Illustration, Grafik und Montage, editiert mit vielen Apps jenseits von instagram, unglaublicher Kreativität und großem Können. In der Masse der Beliebigkeit zwischen Patina und Politur wird es zunehmend schwieriger, sie zu finden. Ähnlich der Stecknadel im Heuhaufen sind die meisten bezaubernden Quadrate reine Zufallsfunde. Zeit zu gehen also. Was mir den Abschied von instagram endgültig leicht gemacht hat, sind dessen obskure Nutzungsbedingungen, die wie bei vielen Social Networks weitgehende Rechteübertragungen beinhalten. Obwohl ich jedes dort gepostete Bild mit einem Hinweis gekennzeichnet und im Profil explizit darauf hingewiesen hatte, habe ich mich jetzt mit meinen Notizen von unterwegs von instagram verabschiedet. Auch von instagrid.me und gramfeed.com übrigens, die es ermöglichen, instagram-Feeds und -Bilder auch ohne Smartphone und in ansprechenderer Größe zu betrachten. Ein hübsches Spielzeug war es allemal, zur Übermittlung der visuellen Digitalnotizen gibt es andere Wege (beispielsweise hier auf der Website). Und ebenso wenig, wie ich Fast Food schätze, kann ich vorgefertigen Filterschablonen irgendetwas abgewinnen: Auf Dauer nützen diese Kreativitätskrücken nicht einmal mehr zum Lernen, sondern sind unschöne Kreativitätskorsetts, die den meisten Schnappschüssen noch den allerletzten Funken von Leben gründlich austreiben.
Heike Rost
(Die Autorin ist Fotografin und Journalistin und hat für „Universalcode“ einen Beitrag zum Thema Fotografie geschrieben. Mehr unter heikerost.com)