Eine Maschine macht Medien? Das klingt auf den ersten Blick wie das Ende des Journalismus und zudem nach einem Thema, mit dem sich Journalisten nicht befassen müssten. Tatsächlich aber erleben die sogenannten Aggregatoren momentan einen enormen Hype. Jetzt will auch Springer mit einem solchen Tool an den Start gehen.
„My Edition“ soll der Aggregator heißen, der sich aktuell noch in einer geschlossenen Beta-Phase befindet. Er soll zunächst eine Zusammenstellung aus den verschiedenen Angeboten des Verlags bieten und wird als schnell lernfähig angepriesen. Dabei soll „My Edition“ zwar auch, aber nicht nur auf soziale Netzwerke als Informationsbasis zurückgreifen. Erfolg vorausgesetzt, soll „My Edition“ dann im kommenden Jahr als kostenpflichtiges Angebot auf den Markt kommen. Wer testen will, kann sich unter Myeditionapp.de bewerben.
Aggregatoren in der Übersicht
Google News: Für verschiedene Länder erhältlich, offizielle Appversionen nur für Android, greift auf klassische Medien und deren Inhalte zurück
Perfekt für iOS-Geräte: Flipboard
Flipboard: Stellt Inhalte, die Freunde und Kontakte eines Nutzers in sozialen Netzwerken gepostet haben, zu einer Art Magazin zusammen. Dort enthaltene Inhalte wie Fotos, Texte, Videos sind auf einer Oberfläche zu sehen, d.h., der Nutzer wird nicht über einen Link auf eine externe Webseite geschickt. Als App für iPad und inzwischen auch iPhone erhältlich, nicht aber für Android-Geräte. Dort gibt es aber einige Aggregatoren, die nach dem Flipboard-Prinzip funktionieren.
Zite: Stellt — ähnlich wie Flipboard — Inhalte zu einem eigenen Magazin zusammen. Während allerdings Flipboard sich aus Inhalten in den sozialen Netzwerken bedient, greift Zite auf die Inhalte klassischer Medien aus den USA zurück (deswegen ist Zite natürlich nur englischsprachig). Die App gibt es aktuell nur für iOS-basierte Geräte, soll aber verbindlich demnächst auch auf anderen Plattformen wie Android laufen.
Rivva: Liefert eine umfangreiche Übersicht über die meist diskutierten Themen im sozialen Netz. Listet den ursprünglichen Beitrag mit Abstract auf und listet daneben die dazugehörenden Erwähnungen wie beispielsweise Bezugnahmen in anderen Blogs, die Zahl der „shares“, der „likes“ und „plusones“ auf. Dabei kann die ursprüngliche Geschichte aus einem klassischen Medium stammen, die weiterführende Diskussion bezieht sich aber dann ausschließlich auf das soziale Netz. Für Journalisten eine nicht zu unterschätzende Recherchequelle. Nur als Website, keine Apps.
buzzly: Funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie Rivva. Lässt sich aber vom Nutzer unterteilen in „Blogs“ und „Medien“. Zusätzlich ist ein zeitlicher Filter möglich. Nicht als App erhältlich.
Buzzrank Creator: Ähnliches Prinzip wie Rivva und buzzly.de. Als iPhone-App erhätlich.
Springer ist keineswegs der erste deutsche Verlag, der sich an einem Aggregator versucht. Schon 2009 startete Burda Nachrichten.de. Die Seite stellt News aus den unterschiedlichsten deutschen Medien zusammen. Nach einem anfänglichen Hype wurde es dann aber doch ziemlich schnell ruhig um die noch unter der Federführung des ehemaligen Focus-Online-Chef Jochen Wegener entwickelten Seite. Seit 2010 gibt es Nachrichten.de auch als App für iOS und Android, wobei sich speziell im iTunes-Store die Nutzerbewertungen allerdings sehr im Rahmen halten (aktuell bei gut 400 Bewertungen ein Schnitt von zweieinhalb Sternen). Auch die Auswahl der Nachrichten ist manchmal zumindest erstaunlich – kommt vor, dass man auf der Startseite auch mal einen Reisebericht aus dem „Soester Anzeiger“ findet. Nach eigenen Angaben greift die Seite auf insgesamt 471 Nachrichtenquellen zurück. Kritiker monieren allerdings, dass es sich letztlich sehr häufig um einen Zugriff von dpa-Nachrichten handelt. Das allerdings ist von nachrichten.de nicht zu beeinflussen, sondern eher ein Problem der Redaktionen.
Erster Aggregator aus einem deutschen Verlag: nachrichten.de
Das vermutlich populärste deutsche Aggregatoren-Angebot kommt indes gar nicht aus einem Medienhaus. „Rivva.de“ ist ein Projekt des Informatikers Frank Westphal, der dort seit 2007 ursprünglich einen Überblick über die Blogosphäre geben wollte, inzwischen aber nach eigener Beschreibung das gesamte Social Web nach den meist diskutierten Themen filtert. Dabei sah es zwischendrin einmal so aus, als wäre das viel gelobte Projekt bereits am Ende: 2009 beendete Westphal vorübergehend die Seite — sie war für einen einzelnen, der nebenbei und ehrenamtlich arbeitet, wohl schlichtweg zu viel geworden. 2011 kam Rivva zurück, weil sich prominente Unterstützung fand. Die kam allerdings nicht aus einem Medienhaus, sondern erstaunlicherweise von BMW. Seitdem prangt der Claim „recharged by BMW“ auf der Seite. Nach wie vor ist Rivva die wohl beste Übersicht über das, was sich im deutschsprachigen Raum in Blogs und den sozialen Netzwerken so tut. Ein für Journalisten nicht zu unterschätzender Effekt: Die Seite ist nebenher auch ein ausgezeichnetes Recherche-Tool.
Der vermutlich beste Überblick über Blogs und soziale Netze: rivva.de
Inzwischen haben die Aggregatoren das klassische Netz übersprungen und sind vor allem dort sehr stark, wo sie optimal hinpassen: auf mobile Endgeräte. Ein schneller und optisch ansprechender Überblick über das, was gerade in der (sozialen) Netzwelt passiert, das könnte wie geschaffen sein für Tablets und Smartphones. Kein Wunder also, dass sich eine App wie Flipboard schon kurz nach ihrem Start schnell verbreitet hat. Flipboard liefert einen schnellen Überblick über das, was Kontakte bei Twitter oder Facebook posten. Das alles in einem „magazinigen“ Layout. Und keineswegs nur als kurze Liste der Postings. Stattdessen sind verlinkte Medien und Webseiten sofort abrufbar, ohne dass ein eigenes Fenster oder eine eigene URL aufgemacht werden muss. Flipboard macht also ein multimediales Magazin, das ausschließlich aus geteilten Inhalten besteht. Um einen Überblick zu gewinnen, ist die App nach wie vor zumindest im Bereich der sozialen Medien die bestmögliche Anwendung. Zunächst nur als App für das iPad konzipiert, gibt es Flipboard inzwischen auch für das iPhone.
Einem ähnlichen Prinzip folgt der vor allem in den USA sehr erfolgreiche Aggregator „Zite“ – auch ihn gibt es inzwischen sowohl für Tabletts auch für das iPad. Nicht auszuschließen, dass Springer diesem Prinzip folgen will. Denn „Zite“ greift ebenfalls hauptsächlich auf klassische Medien (allerdings in diesem Fall nur aus den USA) zurück und nimmt ebenfalls für sich in Anspruch, sehr schnell sehr lernfähig zu sein. Dabei muss der User allerdings ein bisschen mithelfen. Bei aufgerufenen Artikeln steht rechts ein Voting-Button, der danach gefragt, ob man diesen Artikel gerne gelesen hat. Logische Folge: Je öfter man der App sagt, ob man etwas mag oder nicht, dest schneller lernt sie auch und passt sich dem (vermeintlichen) Geschmack des Nutzers an.
Ist damit die Zukunft des Journalismus eine der Maschinen? Das ist ziemlich ausgeschlossen. Weil Aggregatoren eben nur das können, was schon in ihrem Namen steht: vorhandenen Inhalt aggregieren, zusammenfassen, in möglicherweise in eine neue Form bringen. Und verwenden lässt sich dieses Prinzip sicher nur im Nachrichtenjournalismus. Bei allem, was über die Nachricht als solche hinausgeht, muss der News-Aggregator versagen. Da helfen dann schon eher Modelle wie Flipboard, weil dort eben nicht die Maschine alleine entscheidet, sondern Freunde, Bekannte und Kollegen zu einer Art Redaktion werden.
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