Über Jahre hinweg schien klar zu sein: Journalistische Inhalte im Netz lassen sich nur sehr schwer unmittelbar zu Geld machen. Doch inzwischen mehren sich die Versuche, User direkt zur Kasse zu bitten. Nach der „Braunschweiger Zeitung“ ist die Verlagsgruppe Madsack nunmehr das nächste größere Unternehmen, das Inhalte zumindest teilweise nur noch gegen Bares zur Verfügung stellen will.

Kaum etwas ist in der Branche so umstritten wie die Frage nach der Finanzierung von journalistischen Inhalten im Netz. Gratis, manches gratis und dann bezahlt — oder doch eben die komplette Bezahlschranke, Inhalt nur gegen Geld? Theoretisch gibt es genug Modelle, die aber alle eines gemeinsam haben: Es gibt zu wenig Erfahrungen mit ihnen, als dass man sie generell empfehlen oder in Bausch und Bogen ablehnen könnte.
In den vergangenen Jahren schien sich allerdings vor allem in den deutschen Verlagshäusern (und nicht nur dort) die Einsicht durchgesetzt zu haben, dass das mit dem Bezahlinhalt im Netz nicht richtig funktioniert und man deshalb eine Finanzierung der Webseite,wenn überhaupt, dann nur über Werbung schaffen kann. Der Axel-Springer-Verlag und dessen Vorstandschef Matthias Döpfner waren allerdings die ersten und vehementesten Vertreter von „paid content“. Döpfner war es auch, der immer daraus verwies, dass guter Journalismus beträchtliche Kosten verursache und deshalb für den Leser nicht kostenlos sein könne. Das „Hamburger Abendblatt“ war dann bereits 2009 eine der ersten großen Tageszeitungen in Deutschland, die wenigsten teilweise die Bezahlschranke wieder herunter ließen. Das Abendblatt-Modell zielt vor allem auf die Nicht-Abonnenten ab. Abonnenten bekommen weiterhin alle Inhalte kostenlos, Nicht-Abonnenten hingegen müssen hingegen einen Monatszugang für 7,99 Euro kaufen, wenn sie auf alle Inhalte der Webseite zugreifen wollen. Kostenpflichtig sind dort de facto alle selber produzierten Stücke. Bezahlt werden kann nur mit dem System „Click & buy“, das zwar weit verbreitet ist, aber nicht gerade als benutzerfreundlich gilt. Andere Bezahlmöglichkeiten gibt es nicht.
Paid-Content-Modelle
Freemium-Modell: Der Großteil der Inhalte, die Basis der Seite sozusagen, ist kostenfrei. Für sogenannte „Premium-Inhalte“ muss dann gesondert bezahlt werden. Aber was ist ein „Premium-Inhalt“? Darüber könnte man vermutlich streiten und es dürfte wohl der Definition des Anbieters unterliegen, was demnach so gut und wichtig sein soll, dass es eigens bezahlt werden muss.
Abomodelle und Tagespässe: Um die Inhalte einer Webseite vollständig nutzen zu können, benötigt der User ein Abo bzw. einen Tagespass. Die Abos beginnen meistens bei Monatszugängen und können bis für zwei Jahre gebucht werden. Ungewöhnlicher sind beispielsweise Wochenpässe.
Metered pay wall: Eine Art Mehrstufen-System, bei dem der Nutzer eine bestimmte Zahl von Artikeln kostenlos lesen kann. Erst nach Erreichen dieser Limits wird er zur Kasse gebeten bzw. kann er nur noch weiterlesen, wenn er dafür bezahlt.
Pay per use/click: Einzelne Artikel auf der Webseite kosten Geld und können erst gelesen werden, wenn man speziell dafür bezahlt hat. Unterschiedlich ist, ob der Artikel dann quasi dem Nutzer dauerhaft oder nur für beschränkte Zeit zur Verfügung steht. Beim „Straubinger Tagblatt“ beispielsweise kann man dann auch solche bezahlten Artikel nur für 24 Stunden nutzen.
Bei der WAZ-Gruppe ist die „Braunschweiger Zeitung“ dazu auserkoren, konkrete Erfahrungen mit Bezahlinhalten zu sammeln. Demnächst soll die Webseite zumindest teilweise mit einer Bezahlschranke versehen werden. Anders als beim „Abendblatt“ verschwinden dabei aber nicht Teile des Angebots rigoros hinter einer Bezahlschranke. Stattdessen will man in Braunschweig das machen, was beispielsweise auch bei der „New York Times“ inzwischen Usus ist: eine sogenannte „metered pay wall“. Harald Wahls, Geschäftsführer des Braunschweiger Zeitungsverlags: „Nach einer Schnupperphase werden wir mit einem Metered Freemium Modell – bestimmte Themen stehen bis zu einer definierten Anzahl frei zur Verfügung – Paid Content einführen und somit in der Preispolitik alle Medienkanäle aufeinander abstimmen“. Konkret also: Ein User kann zehn oder 20 Artikel lesen, danach wird er zur Kasse gebeten.
Kurzer Blick über die Grenze: Auch die renommierte NZZ in der Schweiz wird 2012 eine solche „metered pay wall“ einführen.
Ganz neu in der Reihe der Bezahl-Tester ist die Verlagsgruppe Madsack, die bis Ende des Jahres ihre Blätter (zu denen u.a. die HAZ oder das „Göttinger Tagblatt“ gehören) umstellen will. Bei der HAZ ist das Modell deutlich differenzierter als beispielsweise beim „Hamburger Abendblatt“ und auch als bei der „Braunschweiger Zeitung“. Die HAZ bietet verschiedene Zugangsarten an, darunter — anders als bei anderen — auch einen Tagespass für 99 Cent. Zudem sind generell alle Bezahlinhalte der HAZ nur für 48 Stunden kostenpflichtig, danach fällt die Schranke und der Text ist frei zugänglich. Daneben gibt es einen Monatszugang für 8,99 Euro, der sich bei einem Jahresabo auf 6,99 Euro und bei einem Zwei-Jahres-Abo auf 5,99 Euro vergünstigt. Für Abonnenten bleiben auch hier alle Inhalte kostenfrei. E-Paper und die Nutzung der neuen iPad-App „HAZ 24“ müssen allerdings von Online-Abonnenten zusätzlich bezahlt werden.
Wie diese Versuche ausgehen werden, ist offen. Die Erfahrungen, die bisher mit paid content gemacht wurden, sind zu unterschiedlich, als dass man sie verallgemeinern könnte. Das gilt übrigens nicht nur für gedruckte Zeitungen, sondern auch für deren Ableger beispielsweise auf dem iPad. „Bild“ hat einen Versuch, die Webseite für iPad-Nutzer zu sperren, nach gut einem Jahr wieder aufgegeben. Bei der „Abendzeitung“ dauerte dieses Experiment sogar nur wenige Wochen. Die „New York Times“ führte schon von Jahren einen Bezahldienst namens „Times Select“ ein, der nach Meinung von Beobachtern auch gut funktionierte. Trotzdem beendete die Times den Versuch wieder, um alle Inhalte freizugegeben. 2010 kam dann der neuerliche Schwenk, die „Times“ führte eine „Metered Pay Wall“ ein. Die wiederum wird gut angenommen, ist allerdings beispielsweise über Google auch relativ einfach zu umgehen.